Skortationsprotokolle

Archival des Monats

Allein der ungewöhnliche Name der "Skortationsprotokolle" lässt aufhorchen. Worum genau es sich bei diesen jahrhundertealten Unterlagen handelt erfahren Sie in der Archivale des Monats August 2021.

Skortationsprotokolle 1653 bis 1795

(WA1 - Alte Akten Weil der Stadt)

 

Im Aktenbestand Weil der Stadt finden sich die Skortationsprotokolle. Dieses im heutigen Sprachgebrauch völlig unbekannte Wort hat seine Wurzeln im lateinischen „scortum“, was eigentlich Fell, Haut oder Leder bedeutet, im übertragenen Sinn jedoch für eine Hure oder Dirne verwendet wird. Das deutsche Rechtswörterbuch beschreibt die „Skortation“ als den „außerehelichen Beischlaf“, der meist nur im Falle einer daraus resultierenden unehelichen Schwangerschaft der Frau bekannt wurde und auf den die „Skortationsstrafe“, also die Strafe für eine begangene Skortation, stand.

Zu diesen „Skortationen“ befindet sich im Stadtarchiv Weil der Stadt im Bereich der Aktenüberlieferung des 18. Jahrhunderts ein Bestand an vier Archivboxen mit „Skortationsprotokollen“, der die Jahre 1653 bis 1755 umfasst.  Diese Protokolle sind fadengeheftet und umfassen meist zwischen zwei und sechs Blatt, in manchen Fällen auch umfangreicher. In den Protokollen werden die Befragungen zum Zwecke der Aufklärung eines Ehebruchs bzw. einer unehelichen Schwangerschaft verschiedener Zeugen durch ein Gremium als eine Art Gedächtnisprotokoll dokumentiert. Im Falle des hier vorgestellten Protokolls aus dem Jahre 1755 besteht dieses Gremium aus dem Stadtschultheißen Gall sowie dem Ratsschreiber („Syndicus“) Keßler. Sowohl die offenkundig schwangere Anna Maria als auch weitere Zeugen wurden vernommen, die Fragen und Antworten kann man der unten stehenden Transkription entnehmen.

Man könnte diese Skortationsprotokolle auch als die entsprechenden „Ermittlungsakten“ der jeweiligen Fälle an Ehebruch oder unehelichen Schwangerschaften bezeichnen.

Das Thema der unehelichen Schwangerschaften war gesellschaftlich und moralisch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein ein hochbrisantes Thema. Auch die rechtliche Würdigung unterschied bis in die Zeit der Bundesrepublik zwischen ehelich und unehelichen Kindern. Die gesellschaftliche Ächtung und die Bedeutung einer unehelichen Schwangerschaft fand auch Eingang in die Literatur und wird zum Beispiel in Goethes „Faust“ am Beispiel des Gretchens deutlich.

Auch in Weil der Stadt findet sich das Thema der unehelichen Schwangerschaften in diversen Überlieferungen, zum Teil nehmen diese Themen einen sehr breiten Raum ein. Die Waisengerichtsprotokolle befassen sich mit diesem Thema, auch in den Ratsprotokollen (vgl. dazu Archivalie des Monats Juni 2020 Ehebruch des Glasers Johann Jakob Cringer im Ratsprotokoll Weil der Stadt des Jahres 1657) wurden diese Fälle bzw. die Konsequenzen und Folgen aus den jeweiligen Ermittlungen ausführlich verhandelt. Aus heutiger Sicht sind die moralischen Maßstäbe der damaligen Gesellschaft nur schwerlich nachvollziehbar. Daher sollte man zumindest versuchen, gesellschaftliche und politische Entscheidungen immer aus ihrer Zeit heraus zu betrachten.

Die dem Skortationsprotokoll folgende Vorstellung des Falles im Rat sowie die daraufhin verhängten Strafen sind in vorliegendem Fall im Ratsprotokoll der Stadt Weil der Stadt festgehalten - diese werden wir in der Archivalie des Monats September vorstellen!

 

TRANSKRIPTION

Inquisitionsprotocollum

Über

Anna Maria …]

Schwängerung

De

1755

[…] Verhör weyl. Michel

[…] Wittib Barba-

Ra wegen ihrer Schwester

Fornication und

Schwängerung betr.

[…]

H. Stadtschultheis Gall

Syndico Keßler

Continuatio Verhör

Protocolli ZZ Weyl

d. 1oten Juniy 1755

Wurde des Michel […]

Frau Wittib Barbara

Die bey und neben ihrer

Schwester Anna Maria

Ledigen Stands auf dem

Thurnlein wohnt, und

Die impraegniert […]

Custodia forgeführt,

und constituiert die

Wahrheit zu bekunden

Wormit dieser ihro Schwester

Einen verdächthig Umb-

Gang gepflogen haben

Mochte.

Illa: des Luwig Ringlers

Tochtermann nahmens

Joseph dessen zu […]

Er […] sich mit dem

Zunahmen […]

Seye zu verschieden

Mahlen zu ihrer Schwester

Auf das Thürmlein gekommen,

auch seye der Anton

Beyerle verschiedenmahlen

Zu ihro auf und abge

Gangen.

1.   Interogabatur, wan und

zu welcher Zeit der Joseph

Kohlschter [?] zu ihrer Schwester

gegangen seye?

R: Könnte die Zeit nicht

eigenten […] es

Seye aber vor dem Herbst

Vor oder nach Galli gewesen.

2. Was dieser den bey ihr zue

Thun od zu verrichten ge

Habt?

R: Er habe nichts zu ver-

Richten gehabt, seye

Nur zum Besuch ge-

Kommen

3. Wie oft er zu ihro gekommen

Seye?

R: könnte es nicht aigenten

Sagen, meynte aber 3 bis 4

Mahl, könnte aber seyn

Daß dieser mehrmahlen

Bey ihro gewesen, sie

Wissete es aber nicht.

4.  ob sie nicht gemuthmaßet

Habe, daß der Umbgang

Dieses Kerls mit ihro

Schwester verdächtig ihro

Vorgekommen seye?

R: Hätte im mindesten

Auch nichts böhses

Gedacht.

5. Warumb sie den anfangs

Ad protocollum senatus

[…] bekennet, es hätte

Ein Metzgergesell von

Brugsall ihrer Schwester

Auf dem Feld bei Hausen

Sie geschwängeret?

R: […] Schwester hätte sie

[..] beredet.

6. Wieso denn dieses vor eine Wahrheit

Habe angeben können, als sie nicht

Dabey gewesen seye!

R: uti ad 5tum

7. Wan der angegebene Joseph

[…] bey ihro Schwester

Das letzte Mahl gewesen seye?

R: umb die verwichene

Osterzeit, welches

des Joseph Schwager

Tochter Anna Maria

ihr geofenbahrt hatte.

8. ob ihro Schwester es nicht

ihro auch gesagt habe?

R: Könnte aus Vergessen-

heit es nicht […]

sagen, den sie seye

darüber erst […] als

die obige Anna Maria

es ihr offenbahrt hatte.

9. Warum sie dann darüber

so erschrocken seye?

R: Weilen Sie damahls

schon in solchen

gewesen seye und hätte

Ihro eingebildet, es

mochte mit ihro Schwester

nicht  […] seyn.

10. Wohero sie denn gemuthmaset

Daß es mit ihro Schwester

Nicht […] seye?

R: Sie hätte an ihro Wahr-

genommen, daß sie umb

den Leib dick seye.

11. ob sie denn nicht diese Schwan

gerschafft vorgehalten

habe?

R: Nein, sie seye nicht so […] gewesen.

12. ob der Anton Beyerle mit

dieser auch einen ver-

dächtigen Umbgang

gehalten, und zu welcher Zeit er zu ihro gekom-

men seye,.

R: Zu Winterszeiten

auf Sonn- und Feyer

täg, und etlich

mahlen, als man im

Spitahl […]

die Frucht gedreschte

13. Mann spühre mit all ihrer gegebenen Antwort, daß

Sie noch nie die Warheit

rechtschaffen bekannt habe,

[…] sie erinnert

haben, die obrigkeit nicht

mit Lügen zu hintergehen!

R: Wissete anderster

nichts zu sagen, sie

bitte umb Verzei

hung.

Hoc praevio dimittebatur

und wurde auf Veranlassen

dieser ihrer Aussage ad inter-

rogat: die Anna Maria

Schrayin constituiert, und befraget, ob

1. ob sie einige Muthmasung

und woher gehabt habe,

daß der Joseph […]

mit der […] einen

verdächtig Umbgang

gepflogen.

R: Als es zu Osternacht (?) das letzte

mahl gebrennet habe, so seye

der Joseph [..] ihro

auf der Mauer begegnet,

,

der sie gewährt, und sie

ihn angeredet hatte, woher

er so fruhe herkomme,

der dann geantwortet, er

komme unten herauf, sie

hatte aber diesenthalben

keinen Verdacht gehabt,

und als die […] ein-

gezogen worden und sie

vernommen hätte, dass sie

diesen zum Thäter angeboten

so hätte sie es  der […]

gesagt, daß er ihro

auf der Mauer begegnet seye.

illa dimittebatur, und

wurde die […] wieder

vorgelassen, und befragt

wann des Schrayin Tochter

ihr geofenbahrt, daß

der […] ihr  derselben

auf der Mauer ihro be-

gegnet seye?

R: nach Ostern vor 4 od.

3 Wochen her

Ob nicht des Schräyen Tochter

es erst als ihro Schwester

von diesem Kerl gemeldet

habe?

R: Nein, sondern konnte nicht

anderst sagen, als wie sie oben

ausgesaget hatte.

Ob nicht diesem […]

vor einiger zeit und vor einem

Jahr bey ihro auf dem Thur-

lein […] seye

R: ja mit seiner Frau und

Kind, nur 2 Täg oder

Nächt hindurch

Ob nicht ihro durch den Raths-

diener dieser Kerl aus(f)-

gebotten worden seye

R: Hier wollte sie mit der

[…] nicht heraus, endlich

gestande sie daß es

durch den Balod ihr

gebotten worden seye.

aus Befehl des Vorig

H Stadtschultheisen

ob ihr Schwetser ihro ofen-

bahrt, daß dieser […]

Sie geschwängert

habe, und wann?

R: Vor 14 Tag ohngefehr

Continua d. 14 ten Juny 1755

Wurde die Fornication con-

stituiert, und abermahls

[…], die raine War-

heit zu bekennen, wer

sie geschwängert habe!

R: Der Joseph Kohlhafer (?)

2. Wan und wohe.

R in der Woche vor Galli

bey dem Thurnlein

3. R: ein einziges Mahl

4. Wie oft er bey ihro gewesen seye?

R: am Pfingsten, gallizeit

und in der [..]

5. Ob sie numehre be-

kennet mit disem an

gegeben  […]

gehabt zu haben

R: Ja

6. Wie sie dann die Obrigkeit

Strafe entrichten wolle

R: Bittete umb ein gnädig Strafe.