Skortationsprotokolle
Archival des Monats
Allein der ungewöhnliche Name der "Skortationsprotokolle" lässt aufhorchen. Worum genau es sich bei diesen jahrhundertealten Unterlagen handelt erfahren Sie in der Archivale des Monats August 2021.
Im Aktenbestand Weil der Stadt finden sich die Skortationsprotokolle. Dieses im heutigen Sprachgebrauch völlig unbekannte Wort hat seine Wurzeln im lateinischen „scortum“, was eigentlich Fell, Haut oder Leder bedeutet, im übertragenen Sinn jedoch für eine Hure oder Dirne verwendet wird. Das deutsche Rechtswörterbuch beschreibt die „Skortation“ als den „außerehelichen Beischlaf“, der meist nur im Falle einer daraus resultierenden unehelichen Schwangerschaft der Frau bekannt wurde und auf den die „Skortationsstrafe“, also die Strafe für eine begangene Skortation, stand.
Zu diesen „Skortationen“ befindet sich im Stadtarchiv Weil der Stadt im Bereich der Aktenüberlieferung des 18. Jahrhunderts ein Bestand an vier Archivboxen mit „Skortationsprotokollen“, der die Jahre 1653 bis 1755 umfasst. Diese Protokolle sind fadengeheftet und umfassen meist zwischen zwei und sechs Blatt, in manchen Fällen auch umfangreicher. In den Protokollen werden die Befragungen zum Zwecke der Aufklärung eines Ehebruchs bzw. einer unehelichen Schwangerschaft verschiedener Zeugen durch ein Gremium als eine Art Gedächtnisprotokoll dokumentiert. Im Falle des hier vorgestellten Protokolls aus dem Jahre 1755 besteht dieses Gremium aus dem Stadtschultheißen Gall sowie dem Ratsschreiber („Syndicus“) Keßler. Sowohl die offenkundig schwangere Anna Maria als auch weitere Zeugen wurden vernommen, die Fragen und Antworten kann man der unten stehenden Transkription entnehmen.
Man könnte diese Skortationsprotokolle auch als die entsprechenden „Ermittlungsakten“ der jeweiligen Fälle an Ehebruch oder unehelichen Schwangerschaften bezeichnen.
Das Thema der unehelichen Schwangerschaften war gesellschaftlich und moralisch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein ein hochbrisantes Thema. Auch die rechtliche Würdigung unterschied bis in die Zeit der Bundesrepublik zwischen ehelich und unehelichen Kindern. Die gesellschaftliche Ächtung und die Bedeutung einer unehelichen Schwangerschaft fand auch Eingang in die Literatur und wird zum Beispiel in Goethes „Faust“ am Beispiel des Gretchens deutlich.
Auch in Weil der Stadt findet sich das Thema der unehelichen Schwangerschaften in diversen Überlieferungen, zum Teil nehmen diese Themen einen sehr breiten Raum ein. Die Waisengerichtsprotokolle befassen sich mit diesem Thema, auch in den Ratsprotokollen (vgl. dazu Archivalie des Monats Juni 2020 Ehebruch des Glasers Johann Jakob Cringer im Ratsprotokoll Weil der Stadt des Jahres 1657) wurden diese Fälle bzw. die Konsequenzen und Folgen aus den jeweiligen Ermittlungen ausführlich verhandelt. Aus heutiger Sicht sind die moralischen Maßstäbe der damaligen Gesellschaft nur schwerlich nachvollziehbar. Daher sollte man zumindest versuchen, gesellschaftliche und politische Entscheidungen immer aus ihrer Zeit heraus zu betrachten.
Die dem Skortationsprotokoll folgende Vorstellung des Falles im Rat sowie die daraufhin verhängten Strafen sind in vorliegendem Fall im Ratsprotokoll der Stadt Weil der Stadt festgehalten - diese werden wir in der Archivalie des Monats September vorstellen!
TRANSKRIPTION
Inquisitionsprotocollum
Über
Anna Maria …]
Schwängerung
De
1755
[…] Verhör weyl. Michel
[…] Wittib Barba-
Ra wegen ihrer Schwester
Fornication und
Schwängerung betr.
[…]
H. Stadtschultheis Gall
Syndico Keßler
Continuatio Verhör
Protocolli ZZ Weyl
d. 1oten Juniy 1755
Wurde des Michel […]
Frau Wittib Barbara
Die bey und neben ihrer
Schwester Anna Maria
Ledigen Stands auf dem
Thurnlein wohnt, und
Die impraegniert […]
Custodia forgeführt,
und constituiert die
Wahrheit zu bekunden
Wormit dieser ihro Schwester
Einen verdächthig Umb-
Gang gepflogen haben
Mochte.
Illa: des Luwig Ringlers
Tochtermann nahmens
Joseph dessen zu […]
Er […] sich mit dem
Zunahmen […]
Seye zu verschieden
Mahlen zu ihrer Schwester
Auf das Thürmlein gekommen,
auch seye der Anton
Beyerle verschiedenmahlen
Zu ihro auf und abge
Gangen.
1. Interogabatur, wan und
zu welcher Zeit der Joseph
Kohlschter [?] zu ihrer Schwester
gegangen seye?
R: Könnte die Zeit nicht
eigenten […] es
Seye aber vor dem Herbst
Vor oder nach Galli gewesen.
2. Was dieser den bey ihr zue
Thun od zu verrichten ge
Habt?
R: Er habe nichts zu ver-
Richten gehabt, seye
Nur zum Besuch ge-
Kommen
3. Wie oft er zu ihro gekommen
Seye?
R: könnte es nicht aigenten
Sagen, meynte aber 3 bis 4
Mahl, könnte aber seyn
Daß dieser mehrmahlen
Bey ihro gewesen, sie
Wissete es aber nicht.
4. ob sie nicht gemuthmaßet
Habe, daß der Umbgang
Dieses Kerls mit ihro
Schwester verdächtig ihro
Vorgekommen seye?
R: Hätte im mindesten
Auch nichts böhses
Gedacht.
5. Warumb sie den anfangs
Ad protocollum senatus
[…] bekennet, es hätte
Ein Metzgergesell von
Brugsall ihrer Schwester
Auf dem Feld bei Hausen
Sie geschwängeret?
R: […] Schwester hätte sie
[..] beredet.
6. Wieso denn dieses vor eine Wahrheit
Habe angeben können, als sie nicht
Dabey gewesen seye!
R: uti ad 5tum
7. Wan der angegebene Joseph
[…] bey ihro Schwester
Das letzte Mahl gewesen seye?
R: umb die verwichene
Osterzeit, welches
des Joseph Schwager
Tochter Anna Maria
ihr geofenbahrt hatte.
8. ob ihro Schwester es nicht
ihro auch gesagt habe?
R: Könnte aus Vergessen-
heit es nicht […]
sagen, den sie seye
darüber erst […] als
die obige Anna Maria
es ihr offenbahrt hatte.
9. Warum sie dann darüber
so erschrocken seye?
R: Weilen Sie damahls
schon in solchen
gewesen seye und hätte
Ihro eingebildet, es
mochte mit ihro Schwester
nicht […] seyn.
10. Wohero sie denn gemuthmaset
Daß es mit ihro Schwester
Nicht […] seye?
R: Sie hätte an ihro Wahr-
genommen, daß sie umb
den Leib dick seye.
11. ob sie denn nicht diese Schwan
gerschafft vorgehalten
habe?
R: Nein, sie seye nicht so […] gewesen.
12. ob der Anton Beyerle mit
dieser auch einen ver-
dächtigen Umbgang
gehalten, und zu welcher Zeit er zu ihro gekom-
men seye,.
R: Zu Winterszeiten
auf Sonn- und Feyer
täg, und etlich
mahlen, als man im
Spitahl […]
die Frucht gedreschte
13. Mann spühre mit all ihrer gegebenen Antwort, daß
Sie noch nie die Warheit
rechtschaffen bekannt habe,
[…] sie erinnert
haben, die obrigkeit nicht
mit Lügen zu hintergehen!
R: Wissete anderster
nichts zu sagen, sie
bitte umb Verzei
hung.
Hoc praevio dimittebatur
und wurde auf Veranlassen
dieser ihrer Aussage ad inter-
rogat: die Anna Maria
Schrayin constituiert, und befraget, ob
1. ob sie einige Muthmasung
und woher gehabt habe,
daß der Joseph […]
mit der […] einen
verdächtig Umbgang
gepflogen.
R: Als es zu Osternacht (?) das letzte
mahl gebrennet habe, so seye
der Joseph [..] ihro
auf der Mauer begegnet,
,
der sie gewährt, und sie
ihn angeredet hatte, woher
er so fruhe herkomme,
der dann geantwortet, er
komme unten herauf, sie
hatte aber diesenthalben
keinen Verdacht gehabt,
und als die […] ein-
gezogen worden und sie
vernommen hätte, dass sie
diesen zum Thäter angeboten
so hätte sie es der […]
gesagt, daß er ihro
auf der Mauer begegnet seye.
illa dimittebatur, und
wurde die […] wieder
vorgelassen, und befragt
wann des Schrayin Tochter
ihr geofenbahrt, daß
der […] ihr derselben
auf der Mauer ihro be-
gegnet seye?
R: nach Ostern vor 4 od.
3 Wochen her
Ob nicht des Schräyen Tochter
es erst als ihro Schwester
von diesem Kerl gemeldet
habe?
R: Nein, sondern konnte nicht
anderst sagen, als wie sie oben
ausgesaget hatte.
Ob nicht diesem […]
vor einiger zeit und vor einem
Jahr bey ihro auf dem Thur-
lein […] seye
R: ja mit seiner Frau und
Kind, nur 2 Täg oder
Nächt hindurch
Ob nicht ihro durch den Raths-
diener dieser Kerl aus(f)-
gebotten worden seye
R: Hier wollte sie mit der
[…] nicht heraus, endlich
gestande sie daß es
durch den Balod ihr
gebotten worden seye.
aus Befehl des Vorig
H Stadtschultheisen
ob ihr Schwetser ihro ofen-
bahrt, daß dieser […]
Sie geschwängert
habe, und wann?
R: Vor 14 Tag ohngefehr
Continua d. 14 ten Juny 1755
Wurde die Fornication con-
stituiert, und abermahls
[…], die raine War-
heit zu bekennen, wer
sie geschwängert habe!
R: Der Joseph Kohlhafer (?)
2. Wan und wohe.
R in der Woche vor Galli
bey dem Thurnlein
3. R: ein einziges Mahl
4. Wie oft er bey ihro gewesen seye?
R: am Pfingsten, gallizeit
und in der [..]
5. Ob sie numehre be-
kennet mit disem an
gegeben […]
gehabt zu haben
R: Ja
6. Wie sie dann die Obrigkeit
Strafe entrichten wolle
R: Bittete umb ein gnädig Strafe.