In unserer lockeren Serie „Fünf Fragen an“ bitten wir immer wieder Menschen aus Weil der Stadt zum Gespräch. In dieser Woche gibt uns Dr. Sonja Nolte, die Sprecherin der Steuerungsgruppe Fairtrade-Town, Antworten zum Thema Fairer Handel.

 

Frau Nolte, Weil der Stadt ist seit 2014 Fairtade-Town (FTT). Was bedeutet
das genau?

Nolte: Wir haben in Weil der Stadt unglaublich viele engagierte Menschen, die
sich für den FAIREN Handel und damit für mehr Gerechtigkeit in der Welt einsetzen. Ziel ist es, den Fairen Handel in der Kommune sichtbarer zu machen. Jeder soll die Möglichkeit haben, beim Einkaufen auch ein Weltverbesserer zu sein. Wir haben faire Kleidung, faire Blumen, faire Produkte in der Gastronomie. Sogar unsere eigene Stadtschokolade und einen Kepler-Kaffee (mit Fasnets-Edition) kann man in Weil der Stadt finden. Auch die Schülerinnen und Schüler der Weil der Städter Schulen beschäftigen sich mit dem Thema, woher unsere Konsumgüter kommen und wie man das Wohl der Produzenten dabei im Blick behalten kann. Eine Liste aller teilnehmenden Geschäfte, Gastronomiebetriebe, Kirchen, Schulen und Vereine findet man auf der Homepage der Stadt unter Stadtleben/Fairtrade-Town.

 

Was ist eigentlich fairer Handel?

Nolte: Beim Fairen Handel geht es um Lebensmittel wie Schokolade, Kaffee, Palmöl oder Reis, aber beispielsweise auch um Schmuck, Textilien oder Blumen. Diese Produkte haben alle gemeinsam, dass sie im globalen Süden erzeugt werden. Üblicherweise geschieht dies durch große Konzerne, welchen das Wohl ihrer Mitarbeiter nicht am Herzen liegt: In Asien, Afrika oder
Südamerika ist es nicht üblich, dass Arbeiter eine Lohnfortzahlung während Krankheitstagen oder gar eine Rente bekommen. Auch profitieren sie nicht von Arbeitsschutzmaßnahmen (Handschuhe, Helme,…). Wenn sich die Arbeiter während ihrer Arbeit verletzen oder krank werden, verlieren sie ihre
Arbeit und sind auf fremde Hilfe angewiesen. Dies und die Tatsache, dass sie auch nicht ausreichend bezahlt werden, zwingt die Familien dazu, Kinder ebenfalls arbeiten zu lassen. Sie können also nicht in die Schule gehen. Da aber Bildung die einzige Chance ist, diesem Kreislauf zu entkommen, sieht die Situation für diese Menschen oft ausweglos aus. Der Faire Handel hat es ermöglicht, dass sich die Produzenten zu Genossenschaften zusammentun und gemeinsam und direkt ihre eigenen Produkte vermarkten. Die genannten Missstände werden so vermieden. Kinder besuchen die Schule und auch Produzenten erhalten Fortbildungen oder Kleinkredite, um  erfolgreicher  arbeiten zu können. Man muss aber wissen, dass die Produzenten natürlich nur für genau diejenige Menge ihre fairen Preise bekommen, die anderswo auf der Welt auch als faires Produkt verkauft wird. Somit können wir hier mit jeder fairen Rose, mit jedem Päckchen Kaffee oder mit jedem fairen Paar Socken aktiv helfen. Außerdem ist es mir wichtig, den ökologischen Nutzen dieser Kleinbauernbetriebe zu betonen: durch die vielen kleinen Produzenten und ihre oft in Handarbeit betriebenen Farmen wird die Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren erhalten. Dies schützt den Boden auch vor Erosion. Im Fairen Handel werden wir keine lebensfeindlichen Monokulturen wie beispielsweise eine herkömmliche Palmölplantage finden! Außerdem wird angestrebt, die meisten fairen Produkte auch in Bio-Qualität anzubauen.

 

Ist es denn ökologisch sinnvoll, nun alle Produkte aus dem globalen Süden zu importieren?

Nolte: Nein, natürlich nicht. Es geht beim fairen Handel ja vor allem um Produkte, die bei uns nicht wachsen. So wird man zum Beispiel keine fairen Äpfel, wohl aber faire Bananen finden. Im Gegenteil, es ist sogar sinnvoll, regionale Produkte zu kaufen. Deshalb lautet das Motto von FTT Weil der Stadt auch „Regional und Fair!“ So können nicht nur die lokalen Landwirte und Produzenten ebenfalls faire Preise erwirtschaften. Vielmehr sind die kurzen Transportwege auch klimafreundlich und helfen dadurch wiederum den Menschen im globalen Süden. Denn dort sind die Folgen des Klimawandels nämlich als erstes und zum Teil in extremen Ausmaß schon jetzt spürbar und verschlechtern die Situation dieser Menschen drastisch. Eine weitere Maßnahme, die ökologisch sinnvoll und äußerst fair ist, besteht übrigens darin, Konsumgüter wie Textilien oder auch Möbel und Elektrogeräte (ob fair oder nicht), möglichst lange zu verwenden oder weiterzugeben.

 

Was hat das alles mit der Stadtverwaltung zu tun?

Nolte: Wir freuen uns sehr, dass nach Bürgermeister Schreiber nun auch Bürgermeister Walter Fairtrade-Town unterstützt. So wird im Rathaus weiterhin fairer Kaffee ausgeschenkt. Die Stadtverwaltung ist Teil unserer Steuerungsgruppe FTT und beteiligt sich an der Organisation von Aktionen. Auch die faire Beschaffung von Materialien ist in Weil der Stadt Thema: zum Glück und trotz leerer Stadtkassen wurde so zuletzt beim Bau des Marktplatzes europäische Steine verwendet. Dies spart im Vergleich zu asiatischen Steinen natürlich Transportwege und somit CO2. Aber vor allem wird der Handel mit blutigen Steinen nicht unterstützt. In Asien (besonders in Indien) ist es nämlich leider oft der Fall, dass Steine unter Qualen durch Kinder abgebaut und in Form geklopft werden.

 

Wie kann man als Weiler Unternehmer oder Bürger ein Teil dieser Fairtrade-Bewegung werden?

Nolte: Alle Weil der Städter und Besucher sind herzlich eingeladen, sich an dieser Bewegung zu beteiligen, indem sie unsere Aktionen (Ausstellungen, Filme, Konzerte oder zuletzt die Stadtrallye) besuchen oder einfach ab und zu zu fairen Produkten zu greifen. Auch können Sie in Ihrem Betrieb, Verein oder bei Festen faire Produkte anbieten. Lassen Sie sich auf der Homepage registrieren, wenn Sie dies regelmäßig tun möchten.

Wir freuen uns auf Sie!