Franziska Schwarz vor dem Kirchenkonvent, 1842 und 1851

Archival des Monats

In den vorliegenden Fällen wird der Kirchenkonvent eingeschaltet, weil sich der Aushilfslehrer Ströbele von Franziska Schwarz herabgewürdigt sieht, die ihn vor seinen Schülern beschimpft und seine Qualifikation in Zweifel gezogen hat. 9 Jahre später tritt der Kirchenkonvent erneut wegen Franziska Schwarz zusammen, diesmal, weil sie sich von ihrem Ehemann scheiden lassen will. Der Kirchenkonvent bedeutet ihr aber, sie solle sich angesichts ihres fortgeschrittenen Alters in ihr Schicksal fügen, ermahnt aber auch den Ehemann, sein verschwenderisches Betragen aufzugeben.

Die Archivalien des Kirchenarchivs St. Peter und Paul sind als Depositumbestand seit Juli 2005 im Stadtarchiv Weil der Stadt untergebracht. Der Bestand ist grob geordnet, der größte Teil der Archivalien ist verzeichnet. Eigentümer des Kirchenarchivs ist die Kirchengemeinde, der Bestand wird aber im Stadtarchiv archivarisch erschlossen und betreut, Depositumbestände stehen den interessierten Benutzern des Stadtarchivs zur Verfügung.

Der Kirchenkonvent ist eine württembergische Besonderheit, der 1642 eingeführt wurde, um die Zucht und Ordnung, die im dreißigjährigen Krieg sehr gelitten hatte, wiederherzustellen. Die neuwürttembergischen Gebiete, also auch die Reichsstädte, führten den Kirchenkonvent nach 1803 ein. Das galt auch für die katholischen Gebiete. Der Kirchenkonvent wurde 1891 abgeschafft.
Den Vorsitz im Kirchenkonvent hatten Schultheiß und Pfarrer als weltliche und geistliche Vorstände der Gemeinde, neben ihnen stimmten gewählte Beisitzer ab. Aktenführende Stelle war die Kirchengemeinde, die Oberaufsicht über den Kirchenkonvent hatte das Konsistorium (für die evangelischen Gemeinden) und der Katholische Kirchenrat bzw. als Zwischeninstanz das Dekanat. Der Kirchenkonvent traf sich einmal im Monat, verhandelt wurden vor allem Verstöße gegen die kirchliche und öffentliche Ordnung, Verstöße, welche die weltlichen und kirchlichen Autoritäten in Frage stellten. Der Kirchenkonvent verfügte über ein Sanktionsinstrumentarium, er konnte Ermahnungen, Geldstrafen oder auch kurze Gefängnisstrafen verhängen. Häufig wurde gegen unverheiratete junge Frauen verhandelt, die schwanger geworden waren. Zum einen galt es, die Sexualmoral zu bewahren, genauso wichtig war aber auch, den Vater des Kindes, der meist nicht bestraft wurde, namhaft zu machen, um die illegitime Verbindung doch noch in eine Ehe zu überführen. Damit sollte das Risiko, dass durch ein unversorgt aufwachsendes Kind die Gemeinde unterstützungspflichtig werden könnte, gemindert werden. Oft wurden, gerade in Weil der Stadt, auch Verstöße gegen die Sonntagspflicht oder gegen die Disziplin während des Gottesdienstes sowie gegen das Verbot der Sonntagsarbeit verhandelt.

(Kirchenarchiv St. Peter und Paul, Kirchenkonvent, Archivsignatur PM-70)


Transkription[1]:
 
„Fasc[ikel][2] XV A. 6a[3]
Wohllöblichem Kirchenkonvent
 
erlaubt sich der gehorsamst Unterzeichnete Nachstehendes vorzutragen:
Am 3. Oktober des Jahres kam die Frau des Schumachers Josef Schwarz bpr mein Schulzimmer und klopfte an die Thüre, worauf ich dieselbe öffnete. Sie zog mich nun sogleich zur Verantwortung, warum ihr Knabe Hieronymus, welcher meine Schule besucht, nicht mehr gerne in die Schule gehe und gab sodann Anweisungen und Verhaltensregeln, wie ich mich zu benehmen hätte. Ich aber ging mit den Worten, daß sie an der Schule keine Vorschriften zu geben habe, und

[1] Buchstabengetreue Umschrift, Groß- und Kleinschreibung sowie Satzzeichensetzung nach heutigem Gebrauch; allgemein verständliche Abkürzungen und Konsonantverdoppelungen ausgeschrieben.
[2] von fasces (lat.) = Bündel; aus losen Blättern bestehende, nicht gebundene Akte
[3] Interner Vermerk für die Einordnung der Akte in die Registratur


daß dies durchaus nicht der Ort und die Zeit sei, mich zur Rede zu stellen, in das Schulzimmer zurük. Jetzt aber riß sie die Thüre auf, fieng an vor meinen eigenen als auch den Schülern anderer Klassen zu schimpfen, zu schelten, und mich einen lausigen Provisor zu heißen, der nicht werth sei, in einer Schule zu wirken. Ich sagte ihr nun, daß ich zum Herrn Stadtpfarrer gehe und sie verklage, sie lief mir aber voran, um mich zu verklagen. Glücklicherweise hat Herr Stadtpfarrer den Verlauf der Sache selbst mit angesehen und gehört, und das Weib auch darnach behandelt.
Ich wurde nun durch das Benehmen der Frau des Josef Schwarz in meinem


Amte gestört, vor den Augen meiner und der andern Schüler herabgewürdigt, was meiner amtlichen Wirksamkeit, meinem Ansehen vor meinen Schülern sehr schadet. Auch fühle ich mich an meiner bürgerlichen Ehre sehr verlezt, da sie mich einen lausigen Provisor geheißen, der nicht werth sei, in einer Schule zu wirken, da ich doch befähigt und vom Staate angestellt bin.
Ich bitte nun wohllöbliches Kirchenkonvent, dasselbe möchte hochgefälligst die Frau des Josef Schwarz rufen lassen, sie nach Erfund bestrafen und dieselbe veranlassen, daß sie mir in jedem Falle meine Ehre vor meinen Schülern wieder


geben und Abbitte thun möchte. Sollte dieselbe wieder Vermuthen läugnen, so kann ich mich auf mehrere Schüler der dritten Klasse berufen, welche die Sache mit angehört haben.
 
Ich verbleibe mit aller Hochachtung einem wohllöblichen Kirchenkonvente
gehorsamster Diener
Lehrgehülfe Streble
 
Weil die Stadt, den 4. Oktober 1842“


„Fascikel XV. A. No. 9

An den Kirchen Convent in Weilderstadt
 
Dem gemeinsamen Oberamt sind Schreiben von der Franziska Schwarz, Ehefrau des Schneiders Joseph Schwarz von Weilderstadt zugekommen, worin die ihre früheren schon vor Kirchenconvent vorgebrachten Klagen gegen ihren Ehemann wiederholend auf kirchliche Scheidung oder auf eine Vermögensabtheilung anträgt.
Der Kirchenconvent erhält nun den Auftrag, die beiden Eheleute vorzurufen und der Franziska Schwarz zu eröffnen, daß von einer kirchlichen Scheidung bei ihnen, die schon bei 70 Jahre zählen, die Rede nicht seyn könne. Die Ehefrau ist daran zu erinnern, welches Aergerniß dadurch der ganzen Gemeinde gegeben würde; hat sie das Kreuz so lange tragen können, so wird es ihr auch möglich sein noch auszuharren, und wird nicht wegen allzu großer zeitlicher Sorgen ihr Seelenheil verscherzen wollen.
Dem Schneider Schwarz ist aber endlich vorzuhalten, wie wenig sein fortgesetztes rohes, leichtsinniges und verschwenderisches Betragen seinem hohen Alter gezieme, er möge bedenken, wie bald ihn Gott abberufen und Rechenschaft verlangen werde. Er möge daher sein Betragen ändern und in Frieden mit seiner Frau leben.

Zugleich aber wird von dem weltlichen Oberamte dem Stadtschultheißenamt der Auftrag ertheilt, gegen den Joseph Schwarz, welcher offenbar als Verschwender nach Maaßgabe der Art. 24 des Polizeistrafgesetzes zu behandeln ist, Untersuchung einzuleiten und Strafe zu erkennen, damit sofort auf den Grund dessen die Einleitung zu seiner Entmündigung getroffen und dem vollständigen Vermögenszerfall dieser Familie vorgebeugt werden kann.
Bei der dißfallsigen Untersuchung sind die Thatsachen zu benutzen, welche in dem anliegenden Schreiben der Schwarz’schen Ehefrau [gestrichen: Eheleute] angedeutet sind.
Leonberg, den 26. Juli 1851
Ludwigsburg, den 28. Juli 1851
Königliches gemeinschaftliches Oberamt [Unterschrift unleserlich]
Vogt Dek[anats]Verw[eser]
zu den U[nter]s[uchungs]akten als belangt“