Gemeinderatswahlen in Weil der Stadt am 18. Mai 1919 - Wahl der Löwenwirtin Stefanie Lutz zur ersten Gemeinderätin

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Wenige Tage nach Ende des 1. Weltkriegs verkündete der im Zuge der November-Revolution an die Macht gekommene Rat der Volksbeauftragten in Berlin: „Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystem für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen.“ In der Verordnung vom 30. 11. 1918 über die Wahlen zur verfassunggebenden deutschen Nationalversammlung wurde dann das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht gesetzlich fixiert. Am 19. Januar 1919 war die erste reichsweite Wahl, bei welcher Frauen wählen durften und selbst gewählt werden konnten. Bei der Gemeinderatswahl am 18. Mai 1919 in Weil der Stadt gab es zwei Frauen unter den insgesamt 36 Bewerbern. Agnes Schwab, Arztwitwe, kandidierte für die Deutsche Demokratische Partei (DDP), Stefanie Lutz, die Löwenwirtin, trat auf der Liste des katholischen Volksvereins an. Der landwirtschaftlic

Im Vorfeld der Wahlen gab es Ablehnung und Zuspruch für die Frauen aus unterschiedlichen politischen Richtungen. Besorgte Bürger wollten verhindern, dass Frauen gewählt werden, und schalteten entsprechende Anzeigen im Wochenblatt. Bürgerliche Wähler befürchteten einen zu großen Stimmenanteil der SPD, da sie die  Wählerinnen der sozialdemokratischen Partei für politisch interessierter und aktiver hielten. Im Wochenblatt riefen sie deshalb die Bürgerfrauen dringend dazu auf, ihr Wahlrecht auszuüben.
Eine Annonce aus dem bürgerlichen Lager appellierte an die Wähler, keiner der beiden Kandidatinnen die Stimme zu geben. Den Frauen wurde die Befähigung zum Gemeinderatsamt abgesprochen.
 
Am Tag der Gemeinderatswahl gab es 1027 Wahlberechtigte, davon 547 Frauen
und, wenige Monate nach dem Ende des 1. Weltkriegs, 470 Männer.
791 Wähler gaben ihre Stimmen ab, davon 410 Frauen (74 % der Wahlberechtigten) und 381 Männer (81 %). Die Wahlbeteiligung lag bei 77 %.
Jeder Wähler konnte 16 Stimmen vergeben, es konnten bis zu 3 Stimmen auf einen Kandidaten vereinigt werden.
Es gab nur 6 ungültige Stimmzettel, 25 Stimmzettel, die nicht die Höchstzahl der möglichen Stimmen aufwiesen, wurden für gültig erklärt und mitgezählt.
Stefanie Lutz wurde mit 390 Stimmen als erste Gemeinderätin Weil der Stadts gewählt. Agnes Schwab erhielt 230 Stimmen, die für einen Sitz im Gemeinderat nicht ausreichten.
 
Der Gemeinderat setzte sich aus 16 Personen zusammen, von denen die 8 Kandidaten mit den meisten Stimmen, auf 6 Jahre gewählt wurden, die übrigen 8 nur auf 3 Jahre. Sie schieden aus oder stellten sich zur Wiederwahl zur Verfügung. Bei der folgenden Wahl 1922 wurden dann wiederum 8 Kandidaten auf 6 Jahre in den Gemeinderat gewählt. Durch dieses Prinzip, das schon im Kaiserreich gegolten hatte, erhielt der Gemeinderat alle 3 Jahre eine neue Zusammensetzung.