Gründung der Bürgergarde Weil der Stadt o.Dt (1829): Instruktionen, Organisation und Mannschaftslisten

Archival des Monats

Am 17. April 1822 stellte der Magistrat Weil der Stadt ein Gesuch an die königlich württembergische Regierung, einen Bürgergarde aufstellen zu dürfen. Es ist aber zweifelhaft, ob 1822 tatsächlich schon die Bürgergarde gegründet wurde, denn in den Folgejahren hört man nichts mehr von ihr. Erst wieder im November 1828, als ein Schreiben des Oberamts über die Lieferung von Waffen im Weiler Rathaus einging. Nun sind im Stadtarchiv Dokumente vom Mai 1829 aufgetaucht, die nahelegen, dass die Bürgergarde in dieser Zeit gegründet wurde.

In einem Schreiben vom 20. Mai 1829 gibt der Zolleinnehmer Mayer aus Möttlingen dem Kaufmann und Bürgergarde-Hauptmann Xaver Decker Ratschläge, ob er einen Adjutanten an seine Seite berufen solle. Weiter gibt er Empfehlungen, welche Kommandos und Befehle Decker als Anführer der Bürgergarde verwenden soll. Diesem Brief sind undatierte Dokumente über die Organisationsstruktur der Bürgergarde sowie Namenslisten mit den Teilnehmern an der Bürgergarde Weil der Stadt beigeschlossen, die wohl zur selben Zeit wie der Brief entstanden sind.
Die Bürgergarde 1829 bestand aus Offizieren, Unteroffizieren und Gardisten, insgesamt 56 Personen. Daneben gab es einen Musikzug, bestehend aus zwölf Musikern und ihrem Leiter, Musikdirektor Johann Georg Nörbel.
Die Bürgergarde gliederte sich in zwei Züge bzw. vier Sektionen, die ebenfalls noch jeweils unterteilt waren. Diese acht Gruppen bestanden jeweils aus fünf (vier) Gardisten und einem Offizier oder Unteroffizier.
Auch wenn die Bürgergarde Gewehre und Säbel hatte, die auf dem Rathaus aufbewahrt wurden, hatte sie keine militärische Funktion sondern trat bei feierlichen und repräsentativen Ereignissen wie der Fronleichnamsprozession in Erscheinung.




Transkription[1]:
 
„Möttlingen, den 20ten May 1829
Hochzuverehrender Herr Hauptmann
Die Aufstellung eines Adjutanten verwerfe ich gerade nicht, in solange derselbe nur die ihm zukommende Funktionen versieht, z.B. Die Leitung der Führer nach allen Theilen, die Besorgung der Richtungen und des Abstands, Zuflistern seinem Commandanten, wenn er glaubt, daß es nöthig seye, oder der Commandant es wünscht etc.
Dieses wären so ungefehr die Verrichtungen eines Adjutanten.
Hingegen sagten mir vorgestern die beyden Feldwebel, man habe den Plan, den Adjutanten bisweilen an der Stelle des Hauptmanns commantiren zu lassen, worauf ich dann erklärte,

[1] Buchstabengetreue Umschrift. Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung  sowie Satzzeichensetzung nach heutigem Gebrauch; allgemein verständliche Abkürzungen und Konsonantenverdoppelungen ausgeschrieben.


daß dieses ganz gegen ihre Organisation gehandelt wäre, indem die beyden Officire dadurch compromittirt würden, und in diesem Falle aus der Linie tretten müßten; ihre Pläze mit Unterofficiren zu besezen geht nicht an, indem es sonst an Führern mangeln würde.
Wann sich übrigens der Herr Hauptmann bey irgendeinem Ausrüken nicht mit dem Commantiren befassen, sondern als Staabs-Officier betrachten wollen, so können Sie den Oberlieutnant hiemit beauftragen, an dessen Stelle tritt dann Lieutnant Müller auf den rechten Flügel, ein tüchtiger Unterofficier auf die 2te, Feldwebel Dolfinger auf die 3te und Scheninger auf die 4te Section.
Nur dadurch könnten Sie meiner Ansicht gemäs sich etwas erleichtern, ohne daß es dem


Ansehen irgendeiner Charge schadet.
Ein mehreres mündlich.
Inzwischen empfehle ich mich Ihnen vielmal bestens

Zolleinnehmer Mayer“


„Verzeichnis der zerschiedenen Commando-Wörter
Handgriffe
Bey Fuß        –         s‘ Gwehr!
Schultert        –          s‘ Gwehr!
An Arm          –          s‘ Gwehr!“
[…]
„Will man aber von der Stelle aus mit Sektionen abschwenken lassen,


so sind für den Compagnie-Commandanten folgende Commando-Wörter nöthig:
‚Mit Sektionen rechts schwenkt    –          Euch             –          Marsch!‘
‚Links richt     –          Euch!‘
Ehe nun der Commandant die Collonne in Marsch sezt, begibt er sich schnell 15-20 Schritt vorwärts des ersten linken Führers, stellt sich mit Front gegen diesen auf (damit derselbe sich feste Punkte zum Geradeaus-Marschiren wählen kann) und commandirt dann:
‚Collonne vorwärts Führer links    -           marsch!‘
Sobald diese commandirt ist, begibt sich der Commandant weg, um die Collonne im Marsch nicht zu hindern, und hält sich dann während des Marsches immer auf der Seite, wohin der Führer commandirt ist (also auf der linken) auf.
Will man nun halten lassen, so wird wieder commandirt:
‚Collonne      -           halt!
Links in Schlachtordnung -           Marsch!
Rechts richt   -           Euch!
Führer                        -           eingetretten.
Indem ich hier nur diejenigen Commando-Wörter hergesezt habe, welche der Herr Hauptmann beim gewöhnlichen Exerciren allein zu commantiren haben, (die der Herrn Officiere und der beyden Feldwebels also weggelassen) verbinde ich damit die Bitte, sich dieselben wohl eigen zu machen, besonders in Beziehung des Dehnens und Stoßens der Commando-Wörter; um so mehr, da hievon alles abhängt und wir blos dadurch unsern eigentlichen Zwek erreichen können.

Sich damit[1] etc

Zolleinnehmer Mayer“

[1] Gängige Abkürzung einer Grußformel am Briefende, etwa: „mich damit hochachtungsvoll empfehlend“