Hilfegesuch, Schuldschein und Schuldbrief des Zeugmachers Franz Gall, 1695

Archival des Monats

Hans David Gall (um 1642 - 20.1.1706) und Franz Gall (6.11.1652 - 19.10.1705) wa-ren Söhne des Hans David Gall (ca. 1615 - 30.9.1670), Handelsmann, Konsul und Bürgermeister in Weil der Stadt. Während Hans David mit großem wirtschaftlichen Erfolg den väterlichen Betrieb, die Gallsche Handelsgesellschaft, weiterführte und über 20 Jahre als Bürgermeister an der Spitze der Stadt stand, war sein Bruder Franz Gall als Zeugmacher weniger erfolgreich, ständig trieben ihn seine Geldsorgen und schließlich hatte er bei seinem Tod im Jahr 1705 Schulden in Höhe von 387 Gulden bei seinem älteren Bruder angehäuft.

Im Jahr 1686 erwarb Franz Gall von der Witwe Siegle ein Haus in der Marktstraße (vermutlich die heutige Stuttgarter Straße) um 188 Gulden. Den Geldbetrag musste er in jährlichen Raten à 20 Gulden ans Spital bezahlen, dem die Witwe Siegle als Pfründnerin ihren Besitz vermacht hatte. Ab dem Jahr 1692 konnte Franz Gall das Geld nicht mehr aufbringen und bat deshalb seinen Bruder Hans David um Unterstützung. Als Sicherheit bzw. Unterpfand für das geliehene Geld wurden dem Bruder Hans David Hausanteile und das Vorkaufsrecht am Haus eingeräumt.
 
Die Not im Haus Franz Gall war groß, denn schon 2 Wochen, nach dem der Schuldbrief wegen dem Haus aufgesetzt worden war, muss Franz den Bruder am 20.1.1795 erneut um Geld bitten. Auch im Alltag fehlte das Geld an allen Ecken und immer wieder Bruder Hans David vorstellig, über den er auch seine Rohware, die er zu Zeugen verarbeitete, bezog. Die Abrechnung über die Kauf- und Verkaufsgeschäfte der Jahre 1693 und 1694 zwischen den Brüdern Franz und Hans David Gall ergibt ein Minus von 61 Gulden 25 Kreuzer zu Lasten von Franz Gall.

Obligationsbrief vom 6.1.1695 von Franz Gall, Bürger in der Reichsstadt Weil gegen seinen Bruder Hans David Gall, Bürgermeister



Transkription[1]:
 
"Ich Franz Gall, Burger und Zeugmacher in deß Heiligen Römischen Reichs Statt Weyl bekhenne hiemit offentlich undt thue khund jedermänniglich mit disem Brief, daß ich umb mein und meiner Erben besßer Nutzen und frommen Willnuß dem wohl edelvösten, fürsichtig und wohlweißen Herrn Johann David Gall, Burgermeister und zumahlen meinem leiblichen Bruder aufrecht und redlich, auch in beßter Rechteßform zu thuen schuldig worden bin benamtlich neuntzig drey Gulden dreißig viereinhalben Kreizer folgendter Ursachen willen: Erstlich hat derselbe die in allhiesiges Spital wegen erkauffter meiner anieziger Behaußung, so von Hanß Sigleß seeliger Witib gewester Spitalpfründnerin herrührendt, annoch schuldige Jahrzihler jährlich nemblich 20 fl, zusammen sibenzig acht Gulden, zwanzig fünfeinhalb Kreizer aus puren Gnaden und Barmherzigkeit (indeme wegen anhaltendt schwären Kriegskösten erlittener Blinderung und starken Winterquartieren mir gebührend beyzuhalten unmöglich) auf und yber sich genommen. Nicht weniger in die sontagliche Almosenpfleg den 5. Jenner 1695 für mich 14 fl 45 x und in St. Peterspfleg 24 x entrichtet und bezahlt. Dagegen aber und solchem nach obbemelteß Hauß so lang und vil umb obstehendte Summa ein rechtmesßigeß Unterpfand gegen ihne, meinen Herrn Bruder sein undt verbleiben solle, biß erwehnteß Gelt widerumb entrichtet, denn die Billichkeit erforderte, daß ihme mentionirtem meinem Herrn Bruder daß paare aufgelegte Gelt jährlich mit 5 pro Cento verpensioniert werden solte, so hat er doch solchen Zinß auß purer Güte fallen lasßen und nachgesehen. Jedoch aber sich ex preße vorbehalten, daß ich eingangß Bemelter erdittenes Hauß völlig und allein versteyren undt die Gebühr derenwillen jedesmahl ohne desßen Entgelt entrichten solle. Und zum anderen, falls ich auß ohnumbgänglicher Nothurft dise meine Behausung zu alieniren oder zu verkaufen getrungen würde, noch die meinige weder gaist- noch weltliche Rechten noch allhiesigeß Stattbrauch und Recht schirmen solle, doch obbedittener mein Herr Bruder allen Vorzug zur Außloßung ohndisputierlich haben und verbleiben solle, ohngehindert meiner, meiner Erben und sonst männiglich.
Desßen zu wahrem Urkhund habe ich eingangs Bemerkter mit sonderbarem Fleiß gebetten und erbetten den wohledlen und rechtsgelehrten Herrn Johann Lydl, jur. cand. und dermahligen Stattschreiber alda, daß derselbe nebst meiner aigenen Hand Unterschrifft sein gewohnliche Pettschafft (jedoch in alleweeg ohne Schaden) auf dißen Brief undt Obligation truckhen wolle. So beschehen Weylderstatt den 6ten Januarii Anno Sechzehenhundertfünfundneunzig."

[1] Buchstabengetreue Transkription, die Groß- und Kleinschreibung sowie die Zeichensetzung sind dem heutigen Gebrauch angepasst, allgemein verständliche Abkürzungen ausgeschrieben, sonstige Abkürzungen und Textergänzungen in eckigen Klammern

Copia Schreibenß von Franz Gallen an seinen Bruder Herrn Hanß David Gall Bürgermeister, selig abgelasßen den 20. Januarii 1695[2]



„Ich wünsche Euch, lieber Bruder, und seiner Haußfrauen eine gute Zeit. Ich kan nit unterlasßen ein wenig zu schreiben. Ich bitte Euch, ihr wollet mir nit für ybel aufnemmen, dieweil ich so Armuthey leiden mueß. Ich hab kein Gelt im Hauß, habe auch kein Brod um Hauß. Ich möchte nur 8 Tag genug Brod essen, nacher wolte ich gern sterben. Ich hab nichts mehr unter der Hand, daß ich daß Handwerck treiben kan. Ich und meine Kinder haben keine Kleider, laider, Gott erbarm eß. Soll ich ihn ansprechen, so darf ichs nit thuen, dan er mir schon so vil geholfen hat. Gott wolle ihm den ewigen Lohn darfür geben. Aber daß bitte ich Euch, Ihr wollet mir mein Hauß abkaufen, daß ich mein Handwerck treiben kan, ich will es Eüch recht zu kaufen geben. Wollet Ihr daß nit kaufen, so bitte Euch umb Gotteß Barmherzigkeit willen, ich will auf meine Knie niderfallen und mit weinenden Augen betten, Ihr wollet mir deß Joseph[3] Gelt zuekommen lasßen, ich woll naher daß Hauß gern fahren lasßen. Ich wusßte mit den schlik (?) Zehbund[4] einen Mann, der mirß wol zahlte, ich kan keinen machen, ich hab alles eingebüest. Ach lieber Bruder, ich bitt Euch, Ihr wollte mich nit Hunger sterben lasßen. Wan Ihr mir nur deß Josephß Gelt zuekommen lasßet, ich wolte nacher mein Stückh Brod schon wider verdienen, ach Bruder, verlassßet mich nit in disem Stückh, ich will Euch alleß auf dem Hauß bezahlen, waß ich Euch schuldig bin. Ach verlasßet mich nit! Ich und meine Kinder wollten alle Samstag zu Nacht für Euch beede einen Rosencranz betten, umb Gotteß Barmherzigkeit willen, verlasßet mich nit. Alles zu dem Schutz deß allmächtigen Gotteß.
 
Franz Gall“

[2] Die Unterstreichungen im Text stammen sicherlich nicht von Franz Gall sondern von einem späteren Bearbeiter des Schriftstücks im Zuge seiner Verwendung für den Prozess um das Erbe des Hans David Gall
[3] Joseph = der jüngste Bruder von Hand David und Franz Gall
[4] gewobenes Wolltuch

Zeughandelsrechnung der Jahre 1693 und 1694
Aus der Abrechnung der Käufe und Verkäufe, die Franz Gall mit seinem Bruder getätigt hat, ergibt sich ein Schuldbetrag von 61 Gulden und 25 Kreuzer für Franz Gall. Die Rechnung zeigt auch, dass Franz Gall im Jahr 1694 nur noch 2 Zeugen („Zehbunde“) im Wert von 14 Gulden 30 Kreuzer an die Zeighandelskompanie seines Bruders verkaufen konnte, im Jahr 1693 hatte er noch 10 mal so viel verkauft.