Inventuren und Teilungen Weil der Stadt - Nr. 300 vom 17. September 1835

Archival des Monats

Die Inventuren und Teilungen sind Vermögensbeschreibungen, die von fast allen Einwohnern einer Gemeinde bei ihrer Verheiratung und bei ihrem Tod angefertigt wurden, um Erbschaftsstreitigkeiten vorzubeugen. Sie waren Teil des Amtsgeschäfts der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, das der städtischen Verwaltung oblag. In den Inventuren und Teilungen wurden alle Vermögenswerte eines Einwohners aufgeführt und deren Wert taxiert, von Immobilien über Geldvermögen, Schulden, Vermögensausstände bis zu den beweglichen Gütern, vom Kleiderschrank im Wert von 12 Gulden bis zum Sacktuch für 12 Kreuzer.

Schon früh hat sich eine feste Form für die Inventuren und Teilungen herausgebildet. So werden bei einer Realteilung nach der Nennung von Ort und Datum der Erblasser, der Todeszeitpunkt sowie die Erben genannt, darauf folgt eine Beschreibung des Vermögens mit Liegenschaft, Bargeld, Schmuck, Bücher, Mannskleider, Weibskleider, Bettgewand, Leinwand, Küchengeschirr, Schreinwerk, Fass- und Bandgeschirr, gemeiner Hausrat, Fuhr- und Reitgeschirr, Wein und Getränk, Vieh, Früchte, Küchenspeisen, Aktiva (Ausstände) und Passiva (Schulden). Bei einer Realteilung folgt dann die Aufteilung des Vermögens auf die einzelnen Erben. Schon auf den ersten Blick kann man erkennen, ob die Inventur von einem armen oder einem reichen Bürger gemacht wurde, je nachdem, ob sie nur einen Doppelbogen Papier oder ein ganzes Heft mit 150 oder 200 Blättern umfasst.
Die Inventuren und Teilungen besitzen einen hohen Quellenwert für fast alle Teilbereiche der geschichtlichen Wissenschaft, ganz besonders aber für die Volkskunde und die Sozialgeschichte, durch die Nennung von Personen und Familienzusammenhängen und durch die genaue Besitzbeschreibung nicht zuletzt aber auch für Familien- und Hausforschung.
Inventuren und Teilungen sind eine Besonderheit des südwestdeutschen Raums, in Württemberg wurden sie mit besonderer Sorgfalt angefertigt und waren gesetzlich verbindlich seit der Mitte des 16. Jahrhunderts. Im Stadtarchiv Weil der Stadt zählen sie zu den bestüberlieferten Quellen und sind für alle Stadtteile vorhanden.
Weil der Stadt war als Reichsstadt nicht an die württembergische Gesetzgebung gebunden, aber auch hier wurden Inventuren und Teilungen geführt. Sie belegen im Stadtarchiv rund 28 lfd. Meter Regalfläche. Die Überlieferung setzt nach dem Stadtbrand mit dem Jahr 1650 ein. In der reichsstädtischen Zeit hießen die Inventuren und Teilungen noch Waisengerichtsprotokolle und wurden noch nicht obligatorisch bei jedem Todesfall oder bei jeder Heirat angefertigt. Von 1803 an sind die Inventuren und Teilungen von Weil der Stadt aber lückenlos vorhanden, die Akten enden mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahr 1900.
Die Inventuren und Teilungen der Ortsteile haben einen Umfang von rund 50 Regalmetern. Sie setzen ein in Merklingen ab 1655, in Schafhausen ab 1666, in Hausen ab 1778 und in Münklingen ab 1827. Alle Teilbestände enden im Jahr 1899.
Die Inventurbehörde setzte sich zusammen aus dem Ortsvorsteher und zwei Waisenrichtern, die der Gemeinderat aus seiner Mitte auf 3 Jahre auswählte. Für die Inventur bzw. Teilung wurden Gebühren erhoben, welche sich an der Höhe des Vermögens orientierten. Daneben erhielten Stadtschultheiß und Waisenrichter für ihren Arbeitsaufwand 30 bzw. 24 Kreuzer für einen halben Tag.
Das Teilungsgeschäft nach dem Tod des Bierwirts Melchior Heinkele dauerte 1 ½ Tage und war unkompliziert, weil nur die Witwe und 2 Söhne als Erben vorhanden waren. Die Akte umfasst nur 18 Blatt. Trotzdem ist die Erbmasse mit einem Gesamtbetrag von 11239 fl sehr hoch, was vor allem auf den wertvollen Hausbesitz in der Stuttgarter Straße zurückzuführen ist.


Transkription[1]
 
„Nr. 300
Weil die Stadt im Oberamt Leonberg
Verhandelt den 17. September 1835
In Gegenwart des Koeniglichen Amtsnotariats und Waisengerichts
 
Inventarium und Eventual-Theilung über die Verlaßenschaft des
Wey[land[2]] Melchior Heinkele, gewesenen Bürgers und Bekers auch Bierbrauers hier, welcher den 1. Mai 1835 mit Hinterlaßung folgender Intestat[3] Erben gestorben ist.
1.    Die Wittwe Magdalene geb. Gall, anwesend
2.    Ein Sohn Maximilian Heinkele, Bürger und Bierbrauer dahier, anwesend
3.    Ein Sohn Franz Josef Heinkele, Theologiestudiosus in Tübingen. 20 Jahr alt, für welchen Stadtrath Rühle als Pfleger bestellt und verpflichtet wurde, der dem Geschäft anwohnte.
Die Wittwe und der Sohn Max wurden an getreue Vermögensanzeige erinnert,

[1] Groß- und Kleinschreibung sowie Satzzeichensetzung nach heutigem Gebrauch, gebräuchliche Abkürzungen werden ausgeschrieben, nicht gebräuchliche Abkürzungen werden in eckigen Klammern aufgelöst, die Verweise auf andere Bandeinträge und Nachträge von anderer Hand wurden nicht in die Transkription übernommen
[2] früheren
[3] Erbe eines Erblassers, der kein Testament hinterlassen hat


worauf das Waisengericht das Vermögen wie folgt aufgenommen hat
 
Liegenschaft
Häuser und Gebäude
 
Ein Keller unter einem Heuhaus ins Kirners-Gäßle, neben Fidel Gallen, Seiler, und der Allmand       200 fl[1]
Eine zweistockigte Scheuer, ins Kirners-Gäßle, neben Alt Josef Nachbauer und sich selbsten            500 fl
Ein Anstoßgebäude, zwischen seinen beiden Scheuern, ebenda                  300 fl
Eine einstockigte Scheuer, allda, neben Bierbrauer Stotz und sich selbst,  
300 fl
 
Latus[2]   1300 fl

[1] Gulden
2 Seitensumme


Liegenschaft, Häuser und Gebäude
 
ein zweistockigtes Wohnhaus mit Bier, Bäkerey und Brandweinbrennerey, Feuerstätte und Gerechtigkeit, an der Stuttgarter Straße                                                                                         2500 fl
Ein einfacher Schweinstall, in Fidel Gall, Seilers Hof                                        20 fl
 
Aeker
Zelg Ihingen
 
3 V[ie]rt[e]l im Unterihinger Weg, neben Johann David Fritz, Kaufmann und Thomas Frischmann      250 fl
2 Viertel auf den Mittelberg, neben Michael Grein und
Konrad Schütz, Tuchmacher                                                                                 20 fl
3 Viertel im Renninger Weg, neben Adam Siegle Chir[urgus]
und dem Rain                                                                                                           250 fl
 
Latus    3030 fl


Fahrniß
Baares Geld
 
An dergleichen ist vorhanden in verschiedenen Sorten                                    30fl
 
Geschmuk und Silber
1 paar silberne Schuhschnallen                                                                            3 fl
1 paar d[it]o Jaretier[1] dito                                                                                        1 fl
½ D[u]tz[end] dito Eßlöffel, 15 Loth à 1 fl                                                              15 fl
1 Stük dito Caffeelöffel                                                                                            36 x[2]
1 Stük d[it]o Sakuhr                                                                                                  4 fl
3 Kramat[3] Halsnuster[4] à 1 fl 30                                                                              4 fl 30x
1 silber und vergoldeter Anhänger                                                                        36x
1   “                  “           dito                                                                                         36x
1 kleiner Anhänger                                                                                                  15x
1 silbern und vergoldeter Fingerring                                                                     30x
 
Bücher
6 verschiedene Gebetbücher                                                                                 2 fl
 
Mans Kleider
1 runder schwarzer Hut                                                                                           30x
1 grün Sammet Kappe mit Pelz                                                                            1 fl
1 grün tüchene Russenkappe                                                                                30x
1 schwarz seidenes Halstuch                                                                                1 fl
2 Westen à 40x                                                                                                         1 fl 20x
1 grün tüchener Überrock                                                                                       5 fl
1 blauen ditto                                                                                                            8 fl
 
Latus   79 fl 23x


[1] Strumpfband (?)
[2] x = Kreuzer
[3] eigentlich: Kramet: Kramware, auf dem Jahrmarkt gekaufte Ware
[4] Halskette aus Perle, Korallen oder ähnlichem


Fahrniß
Küchengeschirr
Von Mößing
 
1 paar kleine Caffeekannen                                                                                   24x
1 Pfanne                                                                                                                    48x
4 Leichter à 36x                                                                                                        2 fl 24x
1 Laterne                                                                                                                   24x
 
Von Zinn
5 Platten
13 Schüsseln
37 Teller 60 [Pfund] à 24 x                                                                                      24 fl
3 Leichter à 20x                                                                                                        1 fl
3 Kannen à 30x                                                                                                        1 fl 30x
1 Weihwasserkessele                                                                                             12x
 
Von Kupfer
3 Häfen                                                                                                                      3 fl
1 Bettflasch                                                                                                               2 fl
1 Kessel                                                                                                                     3 fl
1 Wasserschapfen                                                                                                   40x
1 Feuerzeug                                                                                                              30x
 
Von Eisen
3 Pfannen à 40x                                                                                                       2 fl
1 Schmälzpfanle                                                                                                      20x
1 Bachblech                                                                                                              36x
1 Dreyfuß                                                                                                                   24x
1 Biegeleisen samt Stahl                                                                                        36x
2 Schaumlöffel                                                                                                         20x
2 Schöpflöffel                                                                                                            20x
 
Latus   44 fl 28x


Fahrniß
Küchengeschirr
Von Eisen
 
2 Bakschaufeln                                                                                                         16x
1 Fleischgabel                                                                                                          8  x
2 Spälterlen[1] à 24                                                                                                    48x
1 Feuerklamme
 
Von Blech
1 Caffee Brett                                                                                                            24x
1 Gewürzlade                                                                                                            12x
1 Milchseiher                                                                                                            15x
1 Reibeisen                                                                                                               10x
1 Gieskanne                                                                                                              40x
1 Oehlfläschle                                                                                                           4  x
 
Von Holz
1 Wellholz                                                                                                                 8  x
1 Butterfaß                                                                                                                 24x
2 Salztenne                                                                                                               8  x
1 Bakmulte                                                                                                                1 fl 30x
2 Wasserkübel                                                                                                          24x
1 Spühlkübel                                                                                                             6  x
1 Mölkkübel                                                                                                               8  x
3 Waschzuber                                                                                                           8  x
 
Von Porzlain[2]
1 große Caffee Kanne                                                                                             30x
6 große Schaalen à 4x                                                                                            24x
 
Latus   8 fl 1x“


[1] Messer zum Zerhacken des Fleischs
[2] Porzellan