Schon früh hat sich eine feste Form für die Inventuren und Teilungen herausgebildet. So werden bei einer Realteilung nach der Nennung von Ort und Datum der Erblasser, der Todeszeitpunkt sowie die Erben genannt, darauf folgt eine Beschreibung des Vermögens mit Liegenschaft, Bargeld, Schmuck, Bücher, Mannskleider, Weibskleider, Bettgewand, Leinwand, Küchengeschirr, Schreinwerk, Fass- und Bandgeschirr, gemeiner Hausrat, Fuhr- und Reitgeschirr, Wein und Getränk, Vieh, Früchte, Küchenspeisen, Aktiva (Ausstände) und Passiva (Schulden). Bei einer Realteilung folgt dann die Aufteilung des Vermögens auf die einzelnen Erben. Schon auf den ersten Blick kann man erkennen, ob die Inventur von einem armen oder einem reichen Bürger gemacht wurde, je nachdem, ob sie nur einen Doppelbogen Papier oder ein ganzes Heft mit 150 oder 200 Blättern umfasst.
Die Inventuren und Teilungen besitzen einen hohen Quellenwert für fast alle Teilbereiche der geschichtlichen Wissenschaft, ganz besonders aber für die Volkskunde und die Sozialgeschichte, durch die Nennung von Personen und Familienzusammenhängen und durch die genaue Besitzbeschreibung nicht zuletzt aber auch für Familien- und Hausforschung.
Inventuren und Teilungen sind eine Besonderheit des südwestdeutschen Raums, in Württemberg wurden sie mit besonderer Sorgfalt angefertigt und waren gesetzlich verbindlich seit der Mitte des 16. Jahrhunderts. Im Stadtarchiv Weil der Stadt zählen sie zu den bestüberlieferten Quellen und sind für alle Stadtteile vorhanden.
Weil der Stadt war als Reichsstadt nicht an die württembergische Gesetzgebung gebunden, aber auch hier wurden Inventuren und Teilungen geführt. Sie belegen im Stadtarchiv rund 28 lfd. Meter Regalfläche. Die Überlieferung setzt nach dem Stadtbrand mit dem Jahr 1650 ein. In der reichsstädtischen Zeit hießen die Inventuren und Teilungen noch Waisengerichtsprotokolle und wurden noch nicht obligatorisch bei jedem Todesfall oder bei jeder Heirat angefertigt. Von 1803 an sind die Inventuren und Teilungen von Weil der Stadt aber lückenlos vorhanden, die Akten enden mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahr 1900.
Die Inventuren und Teilungen der Ortsteile haben einen Umfang von rund 50 Regalmetern. Sie setzen ein in Merklingen ab 1655, in Schafhausen ab 1666, in Hausen ab 1778 und in Münklingen ab 1827. Alle Teilbestände enden im Jahr 1899.
Die Inventurbehörde setzte sich zusammen aus dem Ortsvorsteher und zwei Waisenrichtern, die der Gemeinderat aus seiner Mitte auf 3 Jahre auswählte. Für die Inventur bzw. Teilung wurden Gebühren erhoben, welche sich an der Höhe des Vermögens orientierten. Daneben erhielten Stadtschultheiß und Waisenrichter für ihren Arbeitsaufwand 30 bzw. 24 Kreuzer für einen halben Tag.
Das Teilungsgeschäft nach dem Tod des Bierwirts Melchior Heinkele dauerte 1 ½ Tage und war unkompliziert, weil nur die Witwe und 2 Söhne als Erben vorhanden waren. Die Akte umfasst nur 18 Blatt. Trotzdem ist die Erbmasse mit einem Gesamtbetrag von 11239 fl sehr hoch, was vor allem auf den wertvollen Hausbesitz in der Stuttgarter Straße zurückzuführen ist.
Transkription[1]
„Nr. 300
Weil die Stadt im Oberamt Leonberg
Verhandelt den 17. September 1835
In Gegenwart des Koeniglichen Amtsnotariats und Waisengerichts
Inventarium und Eventual-Theilung über die Verlaßenschaft des
Wey[land[2]] Melchior Heinkele, gewesenen Bürgers und Bekers auch Bierbrauers hier, welcher den 1. Mai 1835 mit Hinterlaßung folgender Intestat[3] Erben gestorben ist.
1. Die Wittwe Magdalene geb. Gall, anwesend
2. Ein Sohn Maximilian Heinkele, Bürger und Bierbrauer dahier, anwesend
3. Ein Sohn Franz Josef Heinkele, Theologiestudiosus in Tübingen. 20 Jahr alt, für welchen Stadtrath Rühle als Pfleger bestellt und verpflichtet wurde, der dem Geschäft anwohnte.
Die Wittwe und der Sohn Max wurden an getreue Vermögensanzeige erinnert,
[1] Groß- und Kleinschreibung sowie Satzzeichensetzung nach heutigem Gebrauch, gebräuchliche Abkürzungen werden ausgeschrieben, nicht gebräuchliche Abkürzungen werden in eckigen Klammern aufgelöst, die Verweise auf andere Bandeinträge und Nachträge von anderer Hand wurden nicht in die Transkription übernommen
[2] früheren
[3] Erbe eines Erblassers, der kein Testament hinterlassen hat
worauf das Waisengericht das Vermögen wie folgt aufgenommen hat
Liegenschaft
Häuser und Gebäude
Ein Keller unter einem Heuhaus ins Kirners-Gäßle, neben Fidel Gallen, Seiler, und der Allmand 200 fl[1]
Eine zweistockigte Scheuer, ins Kirners-Gäßle, neben Alt Josef Nachbauer und sich selbsten 500 fl
Ein Anstoßgebäude, zwischen seinen beiden Scheuern, ebenda 300 fl
Eine einstockigte Scheuer, allda, neben Bierbrauer Stotz und sich selbst,
300 fl
Latus[2] 1300 fl
[1] Gulden
2 Seitensumme
Liegenschaft, Häuser und Gebäude
ein zweistockigtes Wohnhaus mit Bier, Bäkerey und Brandweinbrennerey, Feuerstätte und Gerechtigkeit, an der Stuttgarter Straße 2500 fl
Ein einfacher Schweinstall, in Fidel Gall, Seilers Hof 20 fl
Aeker
Zelg Ihingen
3 V[ie]rt[e]l im Unterihinger Weg, neben Johann David Fritz, Kaufmann und Thomas Frischmann 250 fl
2 Viertel auf den Mittelberg, neben Michael Grein und
Konrad Schütz, Tuchmacher 20 fl
3 Viertel im Renninger Weg, neben Adam Siegle Chir[urgus]
und dem Rain 250 fl
Latus 3030 fl
Fahrniß
Baares Geld
An dergleichen ist vorhanden in verschiedenen Sorten 30fl
Geschmuk und Silber
1 paar silberne Schuhschnallen 3 fl
1 paar d[it]o Jaretier[1] dito 1 fl
½ D[u]tz[end] dito Eßlöffel, 15 Loth à 1 fl 15 fl
1 Stük dito Caffeelöffel 36 x[2]
1 Stük d[it]o Sakuhr 4 fl
3 Kramat[3] Halsnuster[4] à 1 fl 30 4 fl 30x
1 silber und vergoldeter Anhänger 36x
1 “ “ dito 36x
1 kleiner Anhänger 15x
1 silbern und vergoldeter Fingerring 30x
Bücher
6 verschiedene Gebetbücher 2 fl
Mans Kleider
1 runder schwarzer Hut 30x
1 grün Sammet Kappe mit Pelz 1 fl
1 grün tüchene Russenkappe 30x
1 schwarz seidenes Halstuch 1 fl
2 Westen à 40x 1 fl 20x
1 grün tüchener Überrock 5 fl
1 blauen ditto 8 fl
Latus 79 fl 23x
[1] Strumpfband (?)
[2] x = Kreuzer
[3] eigentlich: Kramet: Kramware, auf dem Jahrmarkt gekaufte Ware
[4] Halskette aus Perle, Korallen oder ähnlichem
Fahrniß
Küchengeschirr
Von Mößing
1 paar kleine Caffeekannen 24x
1 Pfanne 48x
4 Leichter à 36x 2 fl 24x
1 Laterne 24x
Von Zinn
5 Platten
13 Schüsseln
37 Teller 60 [Pfund] à 24 x 24 fl
3 Leichter à 20x 1 fl
3 Kannen à 30x 1 fl 30x
1 Weihwasserkessele 12x
Von Kupfer
3 Häfen 3 fl
1 Bettflasch 2 fl
1 Kessel 3 fl
1 Wasserschapfen 40x
1 Feuerzeug 30x
Von Eisen
3 Pfannen à 40x 2 fl
1 Schmälzpfanle 20x
1 Bachblech 36x
1 Dreyfuß 24x
1 Biegeleisen samt Stahl 36x
2 Schaumlöffel 20x
2 Schöpflöffel 20x
Latus 44 fl 28x
Fahrniß
Küchengeschirr
Von Eisen
2 Bakschaufeln 16x
1 Fleischgabel 8 x
2 Spälterlen[1] à 24 48x
1 Feuerklamme
Von Blech
1 Caffee Brett 24x
1 Gewürzlade 12x
1 Milchseiher 15x
1 Reibeisen 10x
1 Gieskanne 40x
1 Oehlfläschle 4 x
Von Holz
1 Wellholz 8 x
1 Butterfaß 24x
2 Salztenne 8 x
1 Bakmulte 1 fl 30x
2 Wasserkübel 24x
1 Spühlkübel 6 x
1 Mölkkübel 8 x
3 Waschzuber 8 x
Von Porzlain[2]
1 große Caffee Kanne 30x
6 große Schaalen à 4x 24x
Latus 8 fl 1x“
[1] Messer zum Zerhacken des Fleischs
[2] Porzellan