Kochbuch der Agathe Gall, geb. Reich, um 1820

Archival des Monats

Antonie Albinger (12.6.1908-8.5.1999) war von Beginn an dabei, als 1949 der Hei-matverein Weil der Stadt gegründet wurde. Als langjährige Lehrerin an der Volksschule Weil der Stadt brachte sie Generationen von Schülern die Weiler Heimat und Stadtgeschichte nahe. Antonie Albinger, in Rottenburg a.N. geboren, war Weil der Städterin aus Leidenschaft, sie war Vorstands- und Ehrenmitglied des Heimatvereins Weil der Stadt und betreute von 1971 bis 1986 das Heimatmuseum. Nach ihrem Tod übergaben ihre Erben den Nachlass der Stadt Weil der Stadt als Dauerleihgabe, der im Stadtarchiv unter bestimmten Bedingungen eingesehen werden kann.

Im Nachlass der Antonie Albinger finden sich zahlreiche Dokumente der Familie Gall, der einflussreichsten und wohlhabendsten Familie in Weil der Stadt im 18. Jahrhundert.
Anton Gall (1715 – 1791) stand 35 Jahre lang als Bürgermeister an der Spitze der Stadt, darüber hinaus half er der Stadt aus finanzieller Notlage, indem er ihr ein zinsloses Darlehen aus seinem privaten Vermögen gewährte. Einer seiner Söhne, Johann Baptist Gall (1750 – 1821), war ebenfalls Bürgermeister in Weil der Stadt in der Zeit von 1800 bis 1813. Das Steuerverzeichnis 1812 weist ihn als den reichsten Mann in Weil der Stadt aus, als einziger wird er in der Vermögensklasse über 50 000 Gulden besteuert. Dessen ältester Sohn wiederum, Kaufmann wie sein Vater, heiratete 1817 die Kaufmannstochter Agathe Reich, von der dieses Kochbuch stammt. Agathe Gall geb. Reich starb bereits 1827 im Alter von 29 Jahren.
Berühmter noch ist der Sohn Josef Anton Gall (1748 – 1807) geworden, von dem eine Anzahl Originaldokumente erhalten sind, z.B. ein Briefwechsel mit dem Bruder. Josef Anton Gall war der erste Bischof bürgerlicher Herkunft in Österreich  und überhaupt erst der zweite Bischof der noch jungen Diözese Linz (1788 – 1807), deren Organisation und Konsolidierung seine wichtigste Aufgabe war.

(Bestand L3: Leihgabe Nachlass Antonie Albinger, Dokumente aus dem Nachlass der Familien Gall und Heinkele)


Transkription[1]

„Gebreßtes Kalbfleisch
Eine große Kalbsschalle [Kalbsschale] oder ein ganzer Schlegel wird ausgebeint, stark geklopft und mit einigen langen Stüklein Spek, die im Salz Nägelein  [Nelken] und Pfefer umgekehrt werden durchstochen, dann breßt man das Fleisch ein, wenn man es kocht, so wird es zuvor in Länge und Breite gebunden in eine Kachel auf glühender Kohlen gethan. Nach dem die Brühe Beize mit etwas Waßer und Wein daran gegoßen, wenn das Fleisch recht weich ist, wird es zwischen 2 Bretter gelegt und beschwert. Auf diese Art kann man auch ein ein Kalten aufheben. Ehe man es auf den Thisch gibt, wird es gewöhnlich in dünnen Schnitten geschnitten, doch bleibt es fester, wann es ganz bleibt, wenn es immer wieder in die Beize, in der es gekocht worden ist, gelegt.

Knak Würst
Zu 9 bis 10 mittelmeßige Knakwürste nimmt man 3 Pfund Schweinfleisch, 2 Pfund Rindfleisch, 1 ½ Pfund grünen Spek, 1 ½ Gl (?) Pfefer, ½ Gl Ingwer, 1 ½ Quintt Nägelein, ½ Loth Mußkatnuß, 3 Loth Salz, 1 Loth Salpeter. Das Fleisch wird klein gehakt, der Spek gewürfelt, geschnitten, das Gewürz gestoßen und alles zusammen muß eine halbe Stund kochen. Geschlaft und in Ochsendärm gefüllt und fest zusammen getrieben

[1] Buchstabengetreue Transkription, die Groß- und Kleinschreibung sowie die Zeichensetzung sind dem heutigen Gebrauch angepasst, allgemein verständliche Abkürzungen ausgeschrieben, sonstige Abkürzungen, Textergänzungen oder Erklärungen in eckigen Klammern


werden, die Würste müßen auswendig mit ein wenig Salz eingerieben werden und 24 Stund beschwert und alsdan 5 bis 6 Stunden in den Rauch gehängt werden, nachdem der Rauch stark ist. Am Anfang werden sie zum Gebrauch etwas gesoden [gesotten], wenn sie aber älter sind, nicht mehr.
 
Bohnen in einer weisen Soos
Zwiebel und Petersill wird klein gehakt und im Butter verdämpft, dan 2 Lefel [Löffel] voll Mehl auch damait und die Bohnen werden im Salzwaser abgesotten, wenn sie klein in der Länge geschnitten sind. Dann schüttet man sie ab und thut sie in die Soße, läßt sie kochen bis zum Anrichten, dann werden 2 Eyergelb in ein Geschirr gethan, 2 Löfel voll süßen Ramm [Rahm] dazu und angemachet auf den Kohlen anziehen laßen.

Hirschzimmer [Hirschrücken] mit Haut
Man legt ihn in eine Caserol, dan Essig, Wein und Waser, Zwiebeln und Gewürz und laßt ihn recht schön weich dünsten. Dann macht man unter deßen die Soos dazu, man nimmt ein schwarzes Brod, reibt es, dann läßt man in einer Pfanne Schmalz heiß machen und gibt die Brösel hienein und recht stark braun machen, dann thut man Wein, Zuker und Zimmt hinein und laßt es nochmals aufsieden. Hernach mit weg, nehme den Zimmer in eine bleyerne Schüßel,


lege den schönen Theil oben auf, schmir ihn mit Eyerweis, macht von dem gerösten Brod eine schöne Haut, darauf beseit sie noch etwas mit Zuker, gib von den Sutt noch was in die Schüßel, das es  nicht anbrennt und stelle es ein wenig in den Offen. Dann macht man eine süße Soße dazu, man leßt in einer Schüßel ein klein wenig Butter zergehen und thut ein paar Löffel voll Mehl darein und leßt es schön braun werden. Thu Wein hinein und ein paar Löffel voll Weichselsaft, noch etwas Zuker, laß es noch mal sieden, dan ist es fertig.
 
Gefüllte Tauben
Wann die Tauben sauber geputzt und ausgenommen sei, werden sie ganz gehöhlt, die Haut von dem Fleisch, unten werden sie zugemacht. Die Fülle wird von der Leber gemacht, welche man fein hakt. 1 Wek wird abgerieben und in Milch geweicht, das Grund im Butter gedämpft, der Wek ausgedrückt und dazu gethan mit Eyer und süßen Rahm verlängert, bis es zur Fülle recht ist. Die Leber dazu, Mußkatnuß und Salz. Die Taube gefüllt, den Hals zugebunden und gebraten.


Süß Speiß
Zu 14 bis 16 Fouduor (?) wird ungefähr 1 ½ Vierling Schweizer Kaß genommen, diesen reibt man und mischt ein Kochlöffel Mehl darunter, das es nicht zusammen bakd. 1 ½ Vierling Butter läßt man vergehen und gießt ein Glas süße Milch darunter und läßt es siedend werden. Dann schüttet man den Käß hinein und rührt ihn, er muß aber ganz kurz auf dem Feuer. Dan wird es wie ein diker Brey, hernach rührt man nach und nach 6 Eyergelb darin und noch etwas wenig Milch. So laßt man den Teig erkalten, schlägt das Eyerweis zu einem festen Schaum, rührt es darunter und füllt die Maße in Kapseln von Papier wie beim Bisquitt, bakt es langsam und serviert es gleich.
 
Zitronen Muß
1 Schoppen guter Wein, ½ Pfund Zuker, 2 große Zitronen. Diese werden an dem Zuker abgerieben und dan Saft dazu gedrükt, dann schüttet man den Schoppen Wein darüber, leßt so den Zuker vergehen. Vom Wein behält man etwas weniges zurück. 10 Eyergelb werden in eine große mesingne Pfanne gethan, das Weise schlägt man zu Schaum. Wenn die Eyer verrührt sind, schüttet man nach und nach den Wein


langsam daran, setzt dies auf Glut und leßt es Milchlau werden, rührt dann den Schaum hinein und rührt immer fort, bis beydes sich annimmt, läßt es noch eine Weile kochen und steigen, hört aber nicht zu rühren auf, in Schalen gefüllt und in den Keller gethan.
 
Hefen Pfannenkuchen
Ein kleines Meßlein Mehl wird mit lauer Milch und etwas Bierheffe angerührt, dann rührt man 5 Eyer daran. Wen diese recht gerührt sind, verdünnt man den Teig vollends mit Milch, bis er wie ein tiker Flädleinsteig ist, leßt ihn bey der Wärme eine Stunde langsam gehen. Wenn er gegangen ist, rührt man ein wenig um, thut nach Belieben Schnittlauch und Spek datz und bekt den Kuchen langsam.“