Lehrvertrag zwischen Löwenwirt Conrad Schütz und Marquard Daub zur Erlernung der Lebkuchenbäckerei, 1768

Archival des Monats

Dem Gemeinderatsprotokoll vom 11.3.1768 ist ein Lehrvertrag zwischen dem Löwenwirt Conrad Schütz und dem Lehrjungen Marquard Daub bzw. seines Onkels und Mentors Stiftsprediger Daub aus Rottenburg angeschlossen. Hintergrund dieses ungewöhnlichen Vorgangs ist wohl, dass der geistliche Onkel des Lehrjungen Daub, der möglicherweise auch Vormund seines vaterlosen Neffen war, dem Lehrvertrag als privatrechtlichem Akt durch die Aufnahme ins Ratsprotokoll eine größere Verbindlichkeit geben wollte. Es war zu dieser Zeit üblich, dass Lehrlinge für ihre Ausbildung Geld bezahlen mussten. Da der Beruf des Lebkuchenbäckers selten war, gab es vermutlich in Rottenburg, der Heimatstadt des Lehrjungen, keinen Lebkuchenbäcker, so dass es für Stiftsprediger Daub nahelag, seinen Neffen im katholischen Weil der Stadt unterzubringen. Aber auch Lehrherr Conrad Schütz musste sich einen Konditor aus Stuttgart holen, da ihm selbst das Fachwissen fehlte.

Die Stadtratsprotokolle sind durch den großen Stadtbrand 1648 vollständig vernichtet worden, seit dem Jahr 1649/1650 sind sie aber lückenlos überliefert. Sie sind für die Geschichte Weil der Stadts die wichtigste Quelle. In den Ratsprotokollen sind alle wesentlichen Vorgänge, die Weil der Stadt betreffen, dokumentiert. Von besonderem Wert bezüglich ihrer Auswertung ist das jedem Band beigefügte Register. Wegen ihrer herausragenden Bedeutung hat die Stadt in einem aufwendigen Verfahren Einbände und Papier der Stadtratsprotokolle restaurieren lassen. Seit 1985 wurden so die Bände der Jahrgänge 1649/50 bis 1823 komplett restauriert.


Transkription des Textes[1]:
 
㤠17
Herr Stüftsprediger und Canonicus Daub zu Rottenburg an Neckhar ließe hochlöblichen Magistrat durch den Syndicum Matthes geziemend ersuchen, seinen mit dem Conrad Schütz, Löwenwirt allhie, unterm 9. Februar 1768 geschloßenen Contract wegen Erlernung der Lebküchlerey und Wachs Pousierens seines Bruders Franz Dauben seel[igen Andenkens] Sohn Marquard Daub zur Nachricht ad Protocollum zu nemmen und in bedörftend Fällen zu handhaben.
Resolutum
Dem disfalligen Petito seye gratifizirt

[1] Buchstabengetreue Umschrift. Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung  sowie Satzzeichensetzung nach heutigem Gebrauch; allgemein verständliche Abkürzungen und Konsonantenverdoppelungen ausgeschrieben.


und oballegierter Contract ist folgender:
Kund und ofenbar seye hierdurch denen es zu wißen von Nöthen, daß Ihro Hochwürden Herr Canonicus und Stüftsprediger Daub ad Festum Mauritium zu Ehingen bey Rottenburg den Conrad Schützen, Lebzeltner[1] und Wachspousierern[2], auch Löwenwirt dahier in Weylderstadt seines verstorbenen Bruders Herrn Franz Dauben, geweßten Zoller zu Rottenburg hinterlaßenen Sohn Marquard Daub, um denselben die Lebküchlerey und das Wachs pousieren zu lehren, auf nachfolgende Conditiones verdinget: nemlichen und für das Erste soll er, Conrad Schütz, gedachten Marquard Daub von Dato  an zu sich in seine Behaußung nemmen und ihne in denen nächsten drey Jahren (inmaßen er dem Lehrling das vierte Lehrjahr zu schenckhen und nachzusehen sich anheischig gemacht hat) die Lebküchlerey und das Wachs pousieren und was diesen beeden Stücken anhängig mit Fleiß und in solcher Treue, daß es dem Lehrjungen zum Nutzen, ihme dem Meister aber zum Ruhm und Ehren gereichen

[1] Lebkuchenbäcker
[2] Wegen der Verwendung von Honig in der Lebkuchenherstellung, verarbeiteten die Lebkuchenbäcker auch das Bienenwachs


möge, lehren und ermelte Zeit über den Jungen der Nothdurft nach mit einer burgerlichen Kost unterhalten, versehen und versorgen, auch an Sonn- und Feyertägen allemal ein Schoppen Wein zu trinkhen geben. Zu dem Ende und zweytens soll der Conrad Schütz den Marquard Daub bey der Laden[i] der Conditorey, Lebzelterey und des Wachs-Pousierens zu Ellwangen aufdingen, ledig sprechen und ihme, Dauben, hierüber einen Lehrbrief von gedachter Laden zu Ellwangen ausförtigen laßen und zwar auf Kösten des Lehrjungen. Vor solche Mühe, Arbeit und Unterrichtung aber 3. sollen und wollen dem Conrad Schützen einhundert Gulden id est 100 fl Lehrgeld in hiernächst benannten Zahlungsfristen als auf Sankt Martin, dies fürlaufenden 1768gsten Jahres, fünfzig Gulden id est 50 fl und das übrige fünfzig Gulden auf Martini 1769 bezahlt und entrichtet werden.
Damit aber auch und viertens der Lehrling Marquard Daub in der Conditorey gehörig und gründlich

[1] Zunftlade


unterrichtet werden möge, so hat der Conrad Schütz versprochen und zugesagt, einen gelehrten Conditor etwan von Stuttgardt anher auf Weylderstadt kommen zu laßen und allhier auf seine selbst eignen Cösten ein halbes Jahr lang von wegen Erlernung der Conditorey zu unterhalten. Worgegen aber und fünftens dem Schützen dreyßig Gulden id est 30 fl von dem Dauben bezahlt und bey der Ledigsprechung[1] zugestellt werden sollen. Daferne aber der Schütz den Dauben gehörter maßen die Conditorey nicht lehren laßen sollte, so wäre mann auch nicht verbunden, demselben besagte 30 fl zu bezahlen.
All deßen zu Urkundt hab ich, Conrad Schütz, diesen Contract eigenhändig unterschrieben.
So geschehen Weylerstadt den 9ten Februarii 1768
Pro Nota: Vor abgemelte Kost und Wein ist der Lehrjung Daub einiges Kostgeld und Zahlung zu thuen mir dem Conrad Schützen nicht gehalten.
Der gantze Inhalt meiner Profession ist die Lebzelterei und disem darvon ein Lehrbrief geben
Johan Conrad Schütz"

[1] Entlassung aus dem Lehrvertrag nach beendeter Lehrzeit