Quartierleistungen und Quartierverpflichtungen, Magistratskorrespondenz 1797

Archival des Monats

Von 1272 bis 1802 war Weil der Stadt eine freie Reichsstadt. Dies brachte der Stadt aber nicht nur Vorteile, sondern auch eine Reihe von Pflichten und Aufgaben, die außerordentliche Kosten verursachen konnten. Dazu gehörte auch, Truppenkontingente in Kriegszeiten in der Stadt aufzunehmen und sie zu versorgen. Im Dezember 1797 wurde eine Kompanie des königlich-kaiserlichen Infanterieregiments Erzherzog Ferdinand in der Stadt einquartiert, wogegen sich die Stadt in einem Schreiben an den Generalquartiermeister des schwäbischen Kreises Generalmajor von Mylius mit dem Hinweis zu wehren versuchte, die Stadt sei aufgrund ihrer Armut nicht in der Lage, eine Truppe von 150 Mann zu versorgen. Im Antwortschreiben wurde die Bitte der Stadt um Entbindung von der Quartierverpflichtung aber abgelehnt.

Die Kosten der Einquartierung hatte die Stadt allein zu tragen und sie führten sie an den Rand des Ruins. Im Rechnungsjahr 1797 betrugen die Ausgaben der Stadt für „Militär und Soldatesca“ insgesamt 13795 Gulden und 20 ½ Kreutzer. Daneben musste die Stadt noch eine Kriegssteuer an das Reich von 4036 Gulden aufbringen. Die Gesamtausgaben für militärische Belange bzw. für die Sicherheit der Stadt waren mit insgesamt 17831 Gulden der mit weitem Abstand größte Ausgabenposten in der Stadtrechnung, sie hatten einen Anteil von 64% der Gesamtausgaben von 27772 Gulden. Um die Kosten für die Versorgung der einquartierten Soldaten aufzubringen, musste die Stadt im Jahr 1797 eine Sondersteuer von ihren Bürgern erheben und bei privaten Geldgebern einen Kredit über 15636 Gulden aufnehmen.

Transkription[1]:
 
„An den Freiherrn von Mylius, Generalquartiermeister des Schwäbischen Kraises
 
Hochwohlgebohrner Herr, hochzuehrender gnädiger Herr!
 
Gestern als den 3ten des Monats rükte eine 190 Mann starke Compagnie des königlich-kaiserlichen Infanterieregiments Erzherzog Ferdinand hier ein und bezog das nächste Quartier.
Wir wollen Eüer Exzelenz mit Jeremiaden[2] nicht ermüden, sondern es sey uns nur erlaubt, den weilischen Notstand nur mit gedrängten Worten bekannt zu machen, um zu beweisen, daß diese Einquartierung der hiesigen Gemeinde vollends den Herzstoß gebe.
Die Stadt Weil besteht aus 300 Bürgern, wovon zween Drittheile sich mit Tagwerks-Arbeit ernähren; Handel und Wandel ist von da verbannet und der einzige Nahrungszweig dieser armen Gemeinde ist der karge Ertrag steinigter Felder, alle andere Mittel, sich einigen Zuflus zu verschaffen, sind abgeschnitten.
 
Bei dem gänzlichen Mangel einiger Kammeral-Einkünften müßen durchaus alle Lasten und öffentliche Abgaben aus den Steüren dieser nahrungslosen Bürgerschaft entrichtet werden, welche Quelle aber bereits völlig versieget ist.


[1] Buchstabengetreue Transkription, die Groß- und Kleinschreibung sowie die Zeichensetzung sind dem heutigen Gebrauch angepasst, allgemein verständliche Abkürzungen ausgeschrieben, sonstige Abkürzungen und Textergänzungen in eckigen Klammern
[2] Jeremiaden=Klagelieder


Um diese Wahrheit zu begründen, können wir bei unsern aufhabenden schweren Pflichten betheüren, auch in erforderlichem Fall mit Belegen erproben, daß die Stadt Weil während dieses fatalen Reichskriegs wegen den höchst unverhältnismäßigen Reichs- und Kreis Mostationen[1], Fourage-Lieferungen, Plünderungen und Erpreßungen der Franzosen und endlich durch die überspannte Einquartierungen und Vorspannleistungen einen Schaden von 128 000 Gulden erlitten hat!!
Will man nun diese Summe mit dem in die engsten Gränzen eingeschloßenen Verhältniße der Stadt abwägen, so wird dadurch ganz augenfällig, daß sie bereits am Rande des Verderbens stehen müße und fernere Lasten nicht mehr ertragen könne.

Wir sehen uns daher gemüßiget, das äußerste Elend des unserer Obsicht[2] anvertrauten gemeinen Wesens zu mildester Beherzigung Eüer Exzellenz unterthänigst vorzulegen und angelegenheitlichst zu bitten, daß Eüer Exzellenz die hochdero bekannten Huld, Gnade

[1] Bedeutung unsicher, vielleicht abgeleitet von „mosten“, „auspressen“: Auspressung
[2] Obhut


und Weisheit angemesene Verfügung dahin zu treffen geruhen wollen, damit die bewuste Compagnie wieder zurückgezogen und in andere, bis weitem nicht solche durch den Krieg mitgenommen wordene Gemeinden verlegt und somit das weilische gemeine Wesen von dem unvermeidlichen Untergang noch gerettet werden möge.
 
Dahin empfehlen wir selbiges und uns sehnlichst in jenen tiefen Empfindungen von Verehrung, mit welcher wir beharren
Eüer Exzellenz
unseres hochzuehrenden und gnädigen Herren
 
gehorsamste Bürgermeister
den 4. Dezember 1797


„An einen höchlöblichen Magistrat der Reichsstadt Weil
 
Hochlöblicher Magistrat
 
Ich bin gewiß weit entfernt, alle die traurige Folgen des verheerenden Krieges in Zweifel zu ziehen, so auch die Stadt Weil seit 5 Jahren betroffen haben, und werde mir zur Pflicht achten, jede Erleichterung hierunter zu beziehen, die in meinem Wirkungskreis gelegen ist. Allein die gegenwärtige Einquartierung einer Kompagnie des Regiments Erzherzogs Ferdinand scheint mir im Verhältnis anderer Orte nicht so auffallend zu seyn, als sie in der geehrtesten Zuschrift vom 4ten diß [en Monats] geschildert wird. Eine 150 Köpfe starke Kompagnie, die nach der Verordnung des Generalkommando angewiesen ist, das Brod und Fleisch mit dem Quartiersmann zu theilen oder sich auf eine andere Art mit ihm abzufinden, ist bei 300 Burger noch immer zu ertragen, wenigstens schäze ich mich glüklich, wenn ich dieses Verhältnis in denen herzoglich wirtembergischen Landen immer erreichen kann. Villeicht ereignet sich die Gelegenheit in Bälde, daß eine Verminderung dieser gegenwärtigen Einquatirung stattfindet, und diese werde ich <zu Verstand (?) der löblichen Reichsstadt Weil>[1] so viel von mir abhängt, nicht unbenuzt laßen, davon bitte geneigtest überzeugt zu seyn, wie von jener wahren Hochachtung und Ergebenheit, womit ich zu seyn die Ehre habe
Eines löblichen Magistrats
gehorsamer Diener
G[ustav] Hei[nrich] von Mylius
Generalmajor"
[1] nachträgliche Ergänzung