Ratsprotokolle Weil der Stadt aus den Jahren 1685 und 1697

Archival des Monats

Wie schon im Juni entstammt auch das Archivale des Monats Juli dem Bestand der Stadtratsprotokolle. Wiederum gehen wir über 300 Jahre zurück und widmen uns zweier kleinen Einträge in den Ratsprotokollen der Jahre 1685 und 1697. Das heute noch allgegenwärtige Genussmittel Tabak sorgte bereits in den Jahren 1685 und 1697 für Diskussionen.

„Tabakh Trinckhen“

 
Ratsprotokolle Weil der Stadt aus dem Jahr 1685 und 1697
(Bestand WB - Bände Weil der Stadt)

 
Quellenzusammenhang

 
Die Stadtratsprotokolle vor dem Jahr 1648 sind durch den großen Stadtbrand vollständig vernichtet worden, seit dem Jahr 1649/1650 sind diese aber lückenlos überliefert. Diese Protokoll sind für die Geschichte Weil der Stadts eine der wichtigsten Quellen und werden daher auch „Rückgratakten“ eine Kommunalarchivs genannt. In den Ratsprotokollen sind alle wesentlichen Vorgänge der zurückliegenden Jahrhunderte, die Weil der Stadt  betreffen, dokumentiert. Von besonderem Wert bezüglich ihrer Auswertung ist das jedem Band beigefügte Register. Wegen ihrer herausragenden Bedeutung hat die Stadt in einem aufwendigen Verfahren Einbände und Papier der Stadtratsprotokolle restaurieren lassen. Seit 1985 wurden so die Bände der Jahrgänge 1649/50 bis 1823 komplett restauriert.

 
Im Stadtarchiv Weil der Stadt befinden sich die Ratsprotokolle Weil der Stadts und aller Teilorte bis einschließlich 1974, dem Abschlussjahr der Gemeindereform in Baden-Württemberg. Außerdem werden im Bestand des Stadtarchivs die neueren Gemeinderatsprotokolle von 1975 bis einschließlich 1999 verwahrt.
 
Wie schon im Juni entstammt auch das Archivale des Monats Juli dem Bestand der Stadtratsprotokolle. Wiederum gehen wir über 300 Jahre zurück und  widmen uns zweier kleiner Einträge in den Ratsprotokollen der Jahre 1685 und 1697.


Am 09. Oktober 1685 sprach der Stadtrat ein Verbot des „Taback Trinckhens“[2] aus.
Das heute immer noch gegenwärtige wenn auch im Vergleich zu zurückliegenden Jahrzehnten deutlich im Rückgang befindliche Genussmittel Tabak ist in Europa erst im Verlaufe des 16. Jahrhunderts nach und nach angekommen.
 
Der Tabak wird aus der Tabakpflanze, einer zu den Nachtschattengewächsen gehörenden nikotinhaltige Pflanze mit großen, behaarten Blättern und in Trauben oder Rispen stehenden weißen, gelben oder rosa, oft stark duftenden Blüten gewonnen. Deren ursprüngliche Verbreitungsgebiete waren Nord- und Südamerika sowie der (süd-) pazifische Raum. Für Europa wurde die Tabakpflanze sowie der daraus gewonnene Tabak nach der Entdeckung des amerikanischen Kontinents überhaupt erst bekannt. Die dortigen Ureinwohner konsumierten Tabak, der Name geht wohl auf die mundartliche Bezeichnung der Bewohner der Insel Guanahani für das Rauchen dieser Blätter zurück.
Bereits für das Jahr 1558 ist die Kultivierung sowie der Konsum von Tabak für Portugal bekannt, von da an verbreitete sich die Pflanze und das daraus gewonnene Produkt in den folgenden Jahrzehnten über den europäischen Kontinent. Dabei wurde Tabak zunächst, da man sich unbewusst die Wirkung des Nikotins zunutze machte, für medizinische Zwecke herangezogen. Für Deutschland sollen die unter Karl V. nach Deutschland reisende Spanier den Tabak ebenfalls Mitte des 16. Jahrhunderts mitgebracht haben. Erste Jahreszahlen für den Tabakanbau werden für Deutschland mit 1659 angegeben.
 
Wann genau der Tabak als Genuss- und vermeintliches Heilmittel nach Weil der Stadt gekommen ist lässt sich nicht mehr feststellen. In jedem Fall haben wir es für das Jahr 1685 mit einem – auch im Vergleich zum allgegenwärtigen Alkohol - noch recht jungen Genussmittel zu tun.
 
Bereits von Anfang an wusste man über die toxische Wirkung der Inhaltsstoffe der Tabakpflanze Bescheid.
 
Der Staat erkannte frühzeitig welche Möglichkeiten ihm durch den wachsenden Tabakkonsum in der Bevölkerung erwuchsen. In  „Spamers Illustrierten Konversationslexikon“[3] aus dem Jahr 1880 ist dies mit folgenden Worten beschrieben: „Von der Ansicht ausgehend, dass der Tabak ein Genussmittel sei, das ohne Nachteil für Leib und Leben entbehrt werden kann, auf das aber jemand, der sich daran gewöhnt hat ungern und selbst dann noch nicht verzichtet, wenn der eingebildete oder wirkliche Genuss nur unter größeren Geldopfern zu erreichen ist muss man den Tabak allerdings als ein ganz vorzügliches Steuerobjekt ansehen“.
 
Auch über die Gründe der Weiler Verbots kann nur spekuliert werden. Am Wahrscheinlichsten ist die Feuergefahr, die durch die Rauchwaren für die Gebäude ausging. So ist die hohe Brandlast der eng bebauten Städte immer ein Grund für höchste Vorsicht und man versuchte bereits früh die Feuergefahren durch verschiedene Maßnahmen zu verringern. Gegen ein feuerpolizeiliches Verbot spricht, dass der Tabakkonsum auch auf öffentlichen Straßen mit eher geringer Feuergefahr verboten war. Die vollständigen Gründe des Verbots sind daher nicht bekannt.
 
Bereits in zurückliegenden Jahrhunderten wurden Rauchverbote ausgesprochen, in der Regel wie auch hier in Weil der Stadt nur punktuell.
 
Die uns heute bekannten gesundheitlichen Auswirkungen des Tabakkonsums waren jedoch lange nicht klar – die Tabakverbote vom 17. bis zum 19. Jahrhundert dürften daher wohl auch eher auf die grundsätzliche und vor allen Dingen durch die Kirche beförderte Skepsis gegenüber Genussmitteln als auf Gesundheitsbedenken zurückzuführen sein.
 
So finden wir für das Weil der Stadt des 17. Jahrhunderts neben dem Verbot von 1685 im Ratsprotokoll aus dem Jahr 1697 noch weitere Hinweise zum Thema „Tubbag“: es ist zu lesen dass bei einem Gewitter ein "Donnerschlag" in den Turm der Stadtkirche von oben bis unten eingeschlagen hat  und die beiden Kinder des Mesners und den Turmmann Sebastian Kercher übel zugerichtet habe. Jedoch hat der Turm und die Kirche "durch die Güte Gottes" nicht gebrannt. Weil man aber nicht wisse, aus welchem Verbrechen Gott solches zugelassen hat, hat der Rat "allen Wandel auf dem Turm verboten". Auch glaubt man die Ursache für den Blitzschlag in dem wenig christlichen Verhalten der Leute zu erkennen, die sich während der Predigt auf der Orgel verstecken und dort Tabak rauchen:  "...weil, daß einige unter der Predig auf der Orgel anstatt Anhörung des Wortes Gottes Tubbag trinkhen, als solle solches dem Organisten und Mesner wohl untersagt werden."
 
Zum Abschluss nochmals zurück zum Verbot des Jahre 1685: die Strafe für verbotenen Tabakkonsum wurde auf einen Taler festgesetzt. Um die Einhaltung des Verbots zu überwachen setzte man auf die Mithilfe der Bevölkerung. Die Hälfte der festgesetzten Strafe sollte derjenige erhalten, der einen Verstoß meldete.
 
Eine derartige Denunziation wurde bei den Rauchverboten der vergangenen Jahrzehnte nicht mehr gefordert. Die ab den 1970er Jahren zunehmend umgesetzten Rauchverbote basierten auf den bereits Anfang bzw. Mitte des 20. Jahrhunderts medizinisch erforschten gesundheitlichen Risiken des Tabakkonsums und wurden auf verschiedener gesetzlicher Grundlage (Nichtraucherschutzgesetze) durchgesetzt. Die ab 01.01.2008 geltenden Rauchverbote in der Gastronomie dürften dabei das bekannteste und meist diskutierteste Rauchverbot darstellen.



TRANSKRIPTION[4]
 
 
Freydag den 9 8ber 1685
 
[…]
 
Taback Trinckhen              
Wird das Taback Trinckhen sowohl auf öffent
licher Strassen als auch in Scheürren, Städell,
und wo das verdächtig ist verpotten, bey
Straff eines Talers, […] welcher
Einen Überträtter angeben wird, soll allzeit
Den halben Teil haben.
 


TRANSKRIPTION Ratsprotokoll 1697[5]
 
Dienstag den 8/18ten Juny 1697
 
 
Donnersstreich auf
Den Glocken-
Thurm
Demnach durch die Allwissenheit Gottes, auf was […]
umreissend, oder den Donner in
Allhiesigen Pfarrkirch=Thurm, mit erschröcklichen Getös zu
Obrist bis underist eingeschlagen, und nicht alleine den Thurm
Sondern auch des Messmers 2 Kinder, und den Thurmmann Sebasti
an Kerchern übel zugericht. Jedoch Gott seye hechstes Lob
Wegen einer besorgenden Brunst gar wohl abgegangen […]
Folglich durch die sonderbahr Güdte Gottes der Thurm, und
Die Kirche gantz unverletzter derentvielen erhalten worden.
Alß viel sich gebühre, daß allerforderist dem allerhöchsten Gott
Schuldigsten Danckh gesagt werde, inbrünstig bettend, er wolle
Die Kirche und die ohnedem erarmbete Stadt Weyl gnädig
Und vätterlich bewahren.             Vieley aber nicht wissend
Auf waß fir ein Verbrechen Gott solches zugelassen, als hat Rath
Allen Wandl auf den Thurm verbothen, und jedem verlauthen
Weil daß einige unter der Predig auf der Orgel, anstatt Anhörung des
Worthes Gottes Tubbag trinckhen, als solle solches dem Organisthen,
und Messmer wohl untersagt werden.
Anstatt oben […] Sebastian Kercher, als welcher unbäslich
Und dem Thuen resigniert, als ist anstatt dessen der so
Genannte Hechinger Barthle, namens Barthle […]
Hierzu demoninirert worden, gestalten dann disr
beschickt und befragt worden, welcher auf gegebenen
Zuspruch sich bis Martini auch guetewillig darzue
Verstanden, worzue Ihme Glickh und Heil gewuntschen
Worden, hingegen er Handt Threü abgelegt.

[1] Im Internet: http://www.weil-der-stadt.de/de/Keplerstadt/Stadtarchiv/Archivale-des-Monats
[2] „Tabak trinken“ ist eine in früheren Jahrhunderten gebräuchliche Bezeichnung für das Rauchen von Tabak. Es wird vermutet, dass diese Bezeichnung ihren Ursprung bei der indianischen Urbevölkerung Südamerikas hat: diese inhalierten große Rauchmengen direkt in den Magen um die alkaloide und dadurch hallizunogene Wirkung des Tabaks zu nutzen. Das Schwäbisches Wörterbuch 4,2. L, M, N. - Tübingen : Laupp, 1914. - Sp. 903 – 2098 findet neben dem „Tabak trinken“ noch weitere im schwäbischen Sprachraum verbreitete Redewendungen und Wortbedeutungen.
[3] Illustrirtes Konversations-Lexikon : Vergleichendes Nachschlagebuch für den täglichen Gebrauch ; Hausschatz für das Deutsche Volk und "Orbis pictus" für die studirende Jugend. - Leipzig ; Berlin : Spamer, 1870-1882
[4] Buchstabengetreue Umschrift. Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung  sowie Satzzeichensetzung nach heutigem Gebrauch; allgemein verständliche Abkürzungen und Konsonantenverdoppelungen ausgeschrieben. Nicht zu entziffernde Wörter oder Auslassungen in eckige Klammern gesetzt.
[5] Buchstabengetreue Umschrift. Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung  sowie Satzzeichensetzung nach heutigem Gebrauch; allgemein verständliche Abkürzungen und Konsonantenverdoppelungen ausgeschrieben. Nicht zu entziffernde Wörter oder Auslassungen in eckige Klammern gesetzt.