Strafverzeichnisse Weil der Stadt 1819-1877

Archival des Monats

Unter König Wilhelm I (1816-1874) erhielt Württemberg 1819 eine neue Verfassung, die dem Grundsatz der Gewaltentrennung von Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung folgte. Die Rechtspflege wurde neu geordnet: auf der lokalen Ebene gab es das Gemeinde-gericht, dem der Schultheiß vorstand. Neben den Aufgaben der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Regelung von Vermögensangelegenheiten, Inventuren und Teilungen, Nachlass und Vormundschaftsgeschäfte) wurden vor dem Gemeindegericht Vermögensstreitigkeiten von geringem Wert und Streitfälle, bei denen ein Vergleich möglich war, behandelt. Für die eigentliche Strafgerichtsbarkeit war seit 1819 das Oberamtsgericht Leonberg mit einem jetzt eigens bestellten Oberamtsrichter zuständig. Der Oberamtsrichter hatte die Aufsicht über die Rechtspflege im Oberamt, er konnte Freiheitsstrafen bis 4 Wochen und Geldstrafen von höchstens 30 Talern verhängen.

Nächste Instanz war der Königliche Gerichtshof bzw. Kreisgerichtshof. Weil der Stadt war dem Königlichen Gerichtshof des Neckarkreises mit Sitz in Esslingen zugeteilt.
Oberste Rechtsinstanz in Württemberg war der Gerichtshof in Stuttgart. Gerichtsurteile mussten nach der Verfassung von 1819 nicht mehr vom König bestätigt werden, der König behielt aber das Begnadigungsrecht.
Freiheitsstrafen von kürzerer Dauer mussten im Ortsarrest verbüßt werden, 1819 auch noch in einem der Stadttürme, Haftstrafen bis zu 6 Wochen im Oberamts-Bezirksgefängnis in Leonberg. Für längere Haftstrafen gab es die „höheren Strafanstalten“, die Zuchthäuser in Ludwigsburg für Männer und in Gotteszell für Frauen für Haftstrafen zwischen 5 und 25 Jahren, die Landesgefängnisse in Schwäbisch Hall, Heilbronn, Rottenburg und Ulm für Haftstrafen zwischen 1 Monat und in Ausnahmefällen 6 Jahren. Daneben gab es noch die Festungsstrafanstalt Hohenasperg sowie für geschärfte Gefängnisstrafen über 4 Wochen die Polizeihäuser und die Arbeitshäuser für Freiheitsstrafen zwischen 3 Montane und 5 Jahren. 
In tabellarischer Form werden in 5 Rubriken jeweils der Tag der Verurteilung, die laufenden Nummer im Verzeichnis, dann der Name des Verurteilten, der Name der Gerichtsbehörde, die Art des Vergehens sowie die verhängte Strafe genannt. Die Tabellenform wird auch in der Transkription der beiden Blätter verwendet.

Transkription[1]:
 
Tag des Strafansatzes - Erkennende Behörde - Name des Gestraften - Vergehen - Strafe

Den 19.Octobris 1819 - Oberamtsgericht Leonberg - Andreas Zechling von hier - Wegen eines Felddiebstahls, als überwiesen angenommen - Vierwöchige Thurmstrafe

Den 20. September 1820 - Ditto[2] - Josef Anton Dolfinger, Schneider -
Wegen unvorsichtigen Ankaufs gestohlener Waaren - 3 fl 15 x

Den 2. Merz 1821 - Criminal Senat des Königl. Gerichtshofs für den Nekarkreis - Josef Baptist Wolf, Zimmermann - Wegen Diebstahls, ausgezeichneten -
3 Monate Festungsstrafe

Eodem[3] - Eodem - Florian Batzenschlager, Maurer - Ditto - 3 ½ Monate Festungsstrafe

Den 3. Merz 1820 - Königliches Oberamt Leonberg - Johannes Bissinger, Bauer - Wegen Funddiebstahl - 6 fl 30 x Strafe

Den 15. April 1822 - Königliches Oberamt Leonberg - Fr. Jakob Griener, Kupferschmid - Wegen unbefugten Besitz eines Feuergewehrs - 8 tägiger Gefängnißstrafe

Den 16. April 1822 -  Derselbe - Wegen ausgezeichneten Diebstahls in  Gemeinschaft mit J.B. Wolf und Florian Batzenschlager - 3 Monate Festungsstrafe und Ersatz des gestifteten Schadens

Den 6. Juni 1822 - Königliches Oberamt Leonberg - Bonaventur Nestler, Schuster - Wegen unerlaubten Gewehrbesitzes neben Confiscation desselben
Legalstrafe - 2 kleine Freveln

Eodem - Ditto - Michael Nestler, Wagner - Wegen gleichem Vergehen, der wegen Unvermögenheit keine Geldstrafe bezahlen kann, -  mit 4 Tage Einthürmung belegt

Den 6. Dezember 1822 - K. Oberamtsgericht Leonberg - Michael Nestler, Wagner - Wegen Mißhandlung seines Schwiegervaters und Verbal-Injurien gegen denselben - Der Verdacht einer weiteren Mißhandlung gegen seinen Schwiegervater aber zu beruhen habe.- 14 tägige Gefängnißstrafe und die Bezahlung der ½ Untersuchungskosten

[1] Buchstabengetreue Umschrift, Groß- und Kleinschreibung sowie Satzzeichensetzung nach heutigem Gebrauch; allgemein verständliche Abkürzungen und Konsonantverdoppelungen ausgeschrieben.
[2] ebenfalls
[3] An demselben


Den 20. Januar 1823 -  Josef Griener, Hafner - Wegen Schranken-Entwendung, dessen als überwiesen angesehen wurde -
48 stündiger Thurmstrafe belegt

Den 23. Januar 1823  - Rosina Braun, ledig - Wegen Ehebruchs, in Anbetracht ihres ärztlich beurkundeten Blödsinns zwar straffrei zu lassen, dieselbe aber
in sämtliche Untersuchungskosten zu verurtheilen

Eodem - Ditto - Guido Buhl, Taglöhner - Der gegen denselben erhobene Bezicht des Ehebruchs beruhen zu lassen

Eodem - Königliches Oberamt Leonberg - Florian Batzenschlager, Maurer -
Wegen Betteln und zweklosen Herumlaufen - 3 Tage Arreststrafe

Den 8. Juni 1824 - K. Oberamtsgericht Maulbronn - Johannes Bergner, Korbmacher - Wegen Concubinats[1] in Untersuchung genommen und wurde bis zum Einlauf des Straferkenntißes gegen juratorische Caution nach Hause entlassen, einstweilen aber - Unter besondere polizeiliche Aufsicht gestellt

Den 8. Juli 1824 - K. Criminal Senat des K. Gerichtshofs für den Nekarkreis -
Johannes Bergner, Korbmacher - Wegen mehrjährigen Concubinats neben der Hälfte der Untersuchungskosten zu - 3 monatlicher Festungsstrafe

Eodem - Ditto - Dessen Concubine Gottholdine Christine Eger - Wegen gleichen Vergehens neben der ½ Kostenzuscheidung der Untersuchung zu
3 monatlicher Zwangsarbeit in einem Polizeihaus 

Den 1. September 1824 - K. Oberamt Heilbronn - Rudolf Beyerle, Metzger - Wegen Fechtens, mit - 3 tätigem Arrest bestraft

Den 25. April 1825 - K. Oberamtsgericht Leonberg - Joachim Gall, Metzger -
Wegen thätlicher Injurien[2] gegen den Baltas Wolf, in - ¼tel der Untersuchungskosten und zu 5 Tage Arrest

Eodem - Ditto - Josef Müller, Tuchmacher - Wegen Verbalinjurien gegen Baltas Wolf in eine  - Strafe von 3 fl. 15 x und ¼tel der Untersuchungskosten

Eodem - Ditto - Johannes Müller, Zeugmacher - Völlig frei gesprochen

Eodem - Ditto - Baltas Wolf - Wegen Schlägerey zu - 7-tägiger Gefängnißstrafe und der Hälfte der Untersuchungskosten

[1] Eheähnliches Zusammenleben ohne Trauschein
[2] Beleidigung, auch: Schläge


2. August 65 - 521: Josef Bazenschlager, Zimmermann - Criminal-Senat des K. Gerichtshofs in Ulm - Ein im Complotte verübter, den ersten Rückfall in das Vergehen wider fremdes Eigenthum bildenden Betrug Polizeihausstrafe von 4 Monaten und Verlust der bürgerl. Ehren- und Dienstrechte

30. Januar 66 - 522: Franz Rigort, Goldarbeiter - Großherzogl. Bezirksamt Pforzheim - Wegen Ruhestörung - 48 Stunden Gefängnißstrafe

20. Nov. 1865 - 523: Schoeninger, Franz - Oberamt Böblingen - Unzucht -
2 Tage Arrest

18. Januar 1866 - Herrmann, Kaminfeger - Oberamt Leonberg - Dienstnachläßigkeit - 3 fl

26. Febr. 1866 - Rathfelder, Gottlieb von Schwarzenberg - Oberamtsgericht Leonberg - Erschwerter, aber freiwillig ersetzter Diebstahl - Entziehung der bürgerlichen Ehren- und Dienstrechte und 7 Tage Bezirks-Gefängnis

Buhl, Conrad - Dasselbe - Begünstigung desselben -  3 Tage Bezirks-Gefängnis

10. März 1866 - Gerstenmaier Franz - Oberamt Nagold - Unzucht - 2 Tage Arrest

8. Mai 1866 - Eß, Paul - Kriminalsenat des Königl. Gerichtshofs
Eßlingen - Ein auf 1. Strafe dreifach ausgezeichneter Diebstahl -
9 Monate  Arbeitshausstrafe und Ersatz der Prozeßkosten


Nr. 1853
Entlassungsschein für Paul Ess von Weil der Stadt, Oberamt Leonberg,
welcher die ihm wegen Diebstahls zuerkannte Arbeitshausstrafe von
Neun Monaten erstanden hat.
Ludwigsburg, den 26. Februar 1867        K. Arbeitshaus-Verwaltung, Bernstein
 
Fleiß und Betragen: gut
Reise-Geld: 8 fl 29 ½ x
Marschroute, von welcher bei Gefahr, als Vagant behandelt zu werden, nicht abzuweichen ist: über Stuttgart und Leonberg nach Weil der Stadt.
 
Dieser Entlassungsschein ist gleich bei der Ankunft in der Heimath dem Ortsvorstand zu übergeben, der due erfolgte Ankunft alsbald – durch Vermittlung des K. Oberamts – hieher anzuzeigen hat.