Testament des Johannes Lörcher (Lechler), Münklingen, vom 2.9.1776

Archival des Monats

Am 2.11.1776 lässt der Münklinger Bürger Johannes Lechler ein Testament aufsetzen, das im Wesentlichen darin besteht, dass er seine 3 Töchter aus erster Ehe enterbt. Die Töchter hatten ihn wegen Inzest und Missbrauch seiner jüngsten Tochter Magdalena verklagt. Lechler war wegen dieses Vorwurfs 46 Tage lang im Gefängnis gesessen, war aber letztlich von dem Vorwurf freigesprochen worden. Eigentlich wäre für diesen Vorgang der Münklinger Schultheiß zuständig gewesen. Vermutlich wollte Lechler aber, dass die Enterbung seiner Töchter nicht vorzeitig im Ort bekannt wird und hat sein Testament deshalb vom Calwer Stadtschreiber aufsetzen lassen. Auch die Zeugen waren wohl von dort.

Nach dem Tod Johannes Lechlers 1781 und der Eröffnung des Testaments reichen die drei Töchter aus erster Ehe beim Oberamt Leonberg Widerspruch gegen das Testament ein. Leider gibt es keine Quellen dazu, die Erbschaftssache letztlich entschieden wurde.



Quellenzusammenhang
 
Das Stadtarchiv archiviert die Akten der Stadt Weil der Stadt und der bis 1975 selbständigen Ortsteile. Die Archivalien von Weil der Stadt und den Ortsteilen bilden im Archiv jeweils eigenständige Teilbestände. Da der Entstehungszusammenhang einer Akte wichtige zusätzliche Informationen geben kann, wird der ursprüngliche Aufbau der Registratur so wenig wie möglich verändert bzw. wird versucht, die ursprüngliche Ordnung wieder herzustellen. Das Archivale des Monats ist der Aktenüberlieferung Münklingen übernommen, die nach dem Flattich-Aktenplan geordnet ist


Transkription des Textes[1]:
 
„In dem Nahmen Gottes, Amen!
 
Zu wißen seye hiemit, daß, als man nach Christi unseres einigen Herrn und Heilandes gnadenreicher  Geburt zälte eintausend siebenhundert siebenzig und sechs, samstags, den zweiten November vormittags um 10 Uhr, Johannes Loechler, Burger und Baur von Menklingen, Leonberger Oberamts, in hiesiger Stadtschreiberey erschienen und in deren ordinari Schreibstuben mir, dem geschworenen Stadtschreiberey-Substituten Christian Gottlieb Werthes und denen hienach unterschriebenen darzu erbettenen Gezugen zu vernehmen gegeben, wie er schon in dem 70igsten Jahr seines Alters stehe und dahero Hoffnung habe, daß seine Wallfart auf diesem kummervollen Leben nicht mehr allzu lang währen dörfte, welches ihm, bey denen hienach gemeldten triftigen Umständen Anlaß gebe, sein Haußwesen und wie es nach seinem Tod mit seinem hinterlaßenden Vermögen gehalten werden solle, wohl zu bestellen und dahero entschloßen seye, eine in Rechten erlaubte testamentarische Disposition zu errichten mit dem Ansuchen, solche in gehöriger Form zu Papier zu bringen.

[1] Buchstabengetreue Umschrift. Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung  sowie Satzzeichensetzung nach heutigem Gebrauch; allgemein verständliche Abkürzungen und Konsonantenverdoppelungen ausgeschrieben.


Das unverantwortlich und gottlose Bezeugen seiner 3 Kinder erster Ehe gegen ihn seye nehmlich der Hauptanlaß zu gegenwärtiger Disposition. Es seye dahier kindig, daß seine jüngste Tochter aus erster Ehe vor ungefähr 8-10 Jahr auf Anstiften iherer 2 ältern Geschwistrige die schrekliche Anzeige wider ihn gemacht habe, als ob puncto Incestus mit ihr vergangen hätte und daß er auch deswegen 46 Tag im Gefängnis geseßen, aber ganz unschuldig erfunden worden seye.
Auch an diesem unmenschlichen Verbrechen, das sie gegen ihn als ihren leiblichen Vater gemeinschaftlich ausgeübt, masen die 2 Älteste, obgleich seine jüngere Tochter die Anzeige gemacht, weilen sie mitgeholfen und es auf ihr Anstiften geschehen seye, so viel Antheil als die Agnes daran haben, seye es nicht genug.
Sie haben ihn nachhero als gantmäsig angegeben und es soweit gebracht, daß ihm wirklich inventirt worden seye, ihn auch nachhero mit ihnen in einen Proceß eingeflochten und ihm überhaupt bis dato das Leben so sauer gemacht, daß er ohne Schmerzen nicht daran denken könne. Wie sie ihn also, wie aus diesen Umständen erhelle, nicht als ihren Vater behandelt und ihm nicht nur, und zwar eines wie


das andere, die äußerste Schmach zugefügt, sondern sogar ihn peinlich beklagt und auf die schmählichste Art aus der Welt zu schaffen versucht haben, also wolle er auch nicht, daß sie von seinem verlaßenden Vermögen etwas erben sollen, und schließe sie also zu dem Ende von aller Erbschaft gar und gänzlich aus, also daß sie nach seinem Tod an seine zeitliche Verlaßenschaft die mindeste Ansprache nicht zu machen haben sollen, und zwar namentlich
1. seine Tochter Anna Maria, Bernhard Gannen Eheweib zu Menklingen
2. seine Tochter Magdalena, Jacob Gannen Wittib allda
3. Agnes, noch ledig,
samtlich 1.ter Ehe.
Instituire und seze hingegen zu seinen wahren und einzigen Erben alles seines verlaßenden Vermögens ligend und fahrendes, nichts davon ausgenommen ein
1. sein Eheweib Barbara, gebohrene Straßerin von Iptingen.
Sodann seine 2 Kinder 2.ter Ehe benanntlich
2. Johannes Lächler, Baur zu Menklingen
3. Barbara, noch ledig et circa 18 Jahr oder auf ihr Vorabsterben ihre Kinder,


damit nach ihrem Gefallen zu schalten und zu walten ohne männiglichen Eintrag.
Und dieses wäre demnach sein lezter, freyer, selbst erwählter Will, Meynung und Befehl, den er auf sein künftig erfolgendes Absterben ohne männiglichs Eintrag befolgt wißen wolle, mit der expressen Condition, daß, daferne solches wegen ermangelnder Zierlichkeit der Rechten sollte angefochten werden, solches jedoch als ein Codicill[1], Fidei Comiss[2], Donatio mortis causa[3] oder sonsten als ein gemeiner lezter Will gelten und also duch diese General-Clausul alle Defect und Mängel supplirt und ergänzt sein sollen.
Solchergestalten nun habe ich, der geschworene Stadtschreiberey Substitut Werthes zu Calw vorbeschriebenen des Testatoris lezten Willen in gegenwärtige Form zu Papier gebracht und aus des Testatoris Mund niedergeschrieben, hierauf solchen in Gegenwart hienach unterschriebener Zeugen dem Testatori verständlich vorgelesen und denselben, abwesend anderer Leute, mit Fleiß befragt, ob dieses alles seinem lezten Willen gemäß verfaßt und ob er von niemand

[1] Letzte Verfügung
[2] Privatrechtliche Bestimmung eines Erblassers
[3] Übergabe im Todesfall



darzu gefährlicherweise überredet, hinterführt, mit List bewogen oder gar gezwungen worden seye.
Da der Testator aber sich gegen mir und denen erbettenen Gezeugen ganz unargwöhnisch und freymüthig erklärt, daß solcher in allweeg seiner selbsteigenen Disposition gemäs verfaßt - und er von niemand daszu veranlaßt - weniger auf eine ungebührliche Art darzu gebracht worden seye, sondern solches sein freyer und liebster Wille seye, wir auch den Testatorem bey gutem richtigem Verstand und ohnmangelhaften Sinnen zu seyn befunden haben, so haben wir gegenwärtige Disposition mit unsern eigenhändigen Unterschriften und beygedrukten Pettschaften corroborirt[1].
So geschehen zu Calw, auf Zeit und Ort wie im Eingang gemeldet.
T[estis] Actuarius Stadtschreiberey Substitut zu Calw Christian Gottlieb Werthes
Erbettene Gezeugen
<es folgen die Unterschriften und Siegelaufdrucke von weiteren fünf Zeugen>

[1] bestätigt


Leonberg
Actum in curia den 15. October 1781
 
Gegenwärtige testamentliche Disposition wirde noach ohnlängst erfolgtem Absterben des Johannes Lechlers in Beiseyn sämtlicher Zeugen nach vorgängiger Besichtigung der Sigillien urkundlich eröffnet und publicirt.
Die enterbte Kinder 1ter Ehe beschwehren sich äußerst über den für sie so widrigen Inhalt der Disposition, bitten dahero um deren Abschrift und eine Bedenkzeit zu ihrer weitern Erklärung, indem sie nicht einsehen können, wie ihr verstorbener Vatter den Rechten nach befugt seye, sie ganz zu enterben und alles seinem 2ten Weib und deren Kindern zuzuwenden.


Bescheid
 
Den Kindern 1ter Ehe solle die gebettene copia testamenti ertheilt werden und ihnen hiemit eine Bedenkzeit von 4 Wochen anberaumt seyn, inner welcher sie ihre weitere Erklärung bei dem Herzoglichen Oberamt oder Stadtgericht allhier übergeben sollen.
 
Diese Verhandlung beurkunden:
<es folgen die Unterschriften der beurkundenden Persone