Überharte Bestrafung von Kindern wegen Diebstahls

Archival des Monats

Am 15. April 1768 wurde vor dem Gemeinderat ein Diebstahl verhandelt, den Jung Joseph und Anna Maria Baumgärthner begangen haben. Obwohl im Protokoll eingeräumt wird, dass es sich nur um einen geringfügigen Diebstahl gehandelt hat, werden die beiden zu je 60 Rutenstreichen und Turmstrafe verurteilt. Zum Schmerz kam noch die Schmach, da die Prügelstrafe öffentlich vollzogen wurde. Die jugendlichen Diebe und ihre Familie waren dadurch in der städtischen Gesellschaft gebrandmarkt. Aus heutiger Sicht erscheint diese Strafe überaus hart, auch wenn sie im Protokoll als eine milde Strafe bezeichnet wird.

Die Stadtratsprotokolle sind durch den großen Stadtbrand 1648 vollständig vernichtet worden, seit dem Jahr 1649/1650 sind sie aber lückenlos überliefert. Sie sind für die Geschichte Weil der Stadts die wichtigste Quelle. In den Ratsprotokollen sind alle wesentlichen Vorgänge, die Weil der Stadt betreffen, dokumentiert. Von besonderem Wert bezüglich ihrer Auswertung ist das jedem Band beigefügte Register. Wegen ihrer herausragenden Bedeutung hat die Stadt in einem aufwendigen Verfahren Einbände und Papier der Stadtratsprotokolle restaurieren lassen. Seit 1985 wurden so die Bände der Jahrgänge 1649/50 bis 1823 komplett restauriert.


Transkription des Textes[1]:
 „§ 13
Das mit den Joseph Baumgärthners allhießigen Beysaßen[2] Kindern Jung Joseph Baumgärthner und Anna Maria Baumgärthner unterm 13. dies[es Monats] geführte Verhörsprotocoll wegen einigen geringen Diebstählen wurde einem hochlöblichen Magistrat verlesen und hierüber folgendes Conclusum[3] abgefaßt:
Bescheid
In denen von Anna Maria Baumgärthnerin verübten obschon geringen Diebstählen und hieran theilgenomenen Jung Joseph Baumgärthner des alt Joseph Baumgärthners allhießigen Beysaßen Kinder wird andurch in Betracht ihrer Jugend und anhofender Beßerung zu Recht erkennt, daß beede annoch etwelche Täg eingethürmet, beynebens aber jedes Kind mit 60 Streich Prügel zu zwey Malen zu ihrer wohlverdienten Straf , anderen ihresgleichen aber zum Exempel und Verab-

[1] Buchstabengetreue Umschrift. Groß- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung  sowie Satzzeichensetzung nach heutigem Gebrauch; allgemein verständliche Abkürzungen und Konsonantenverdoppelungen ausgeschrieben.
[2] Beisasse = Einwohner, der nicht das Bürgerrecht besitzt
[3] Beschluss


scheuung des Stehlens ofentlich geprüglet und abgestraft werden sollen. Beede Delinquenten denen Bestohlenen die Schadloshaltung zu thuen schuldig und gehalten. Anlangend hingegen derenselben Mutter Johanna Baumgärthnerin soll dieselbe wegen des dem Michael Beürlen entwendeten Mehls zwey Tag lang mit einem Thurn-Straf[1] abgestraft werden und daferne ein oder anderes wegen Dieberey wieder betretten werden sollte, werde man mit denenselben ohne einzige Milde und Gnad nach Anweisung deren peinlichen Rechten mit aller Schärfe verfahren. Publicirt eodem beeden Delinquenten in Beyseyn ihrer Eltern Joseph Baumgärthners und Johanna Baumgärthnerin. Vor diese so gnädige Urthell und Aggratierung[2] bedankhten sich die Eltern demüthigst und versprachen alle Beßerung.“

[i] Turmstrafe
[ii] Begnadigung (?)