Wochenblatt für Weil der Stadt und Umgebung vom Dezember 1915

Archival des Monats

Die Wochenblattausgaben im Dezember 1915 haben einen Umfang von vier Seiten, auch die Weihnachtsausgaben, die früher wegen der Werbung für Weihnachtsgeschenke doppelt so stark waren. Die Menschen im Kriegsjahr 1915 haben anderes im Sinn als Geschenke zu kaufen. Die Sorge gilt den Soldaten im Feld, denen man mit warmer Wäsche eine Freude bereiten könnte oder denen man mit einem „Weihnachtsbäumchen in der Feldpost-Schachtel“ aus dem Sortiment von Julius Raeth ein bisschen Heimeligkeit und weihnachtliche Atmosphäre in die Gefechtsstände oder Schützengräben liefern möchte.

Quellenzusammenhang
 
Das Stadtarchiv sammelt alle gedruckten Schriften, die in irgendeinem Zusammenhang mit Weil der Stadt stehen. Eine stadtgeschichtlich sehr wichtige Quelle sind die Wochenblätter von Weil der Stadt, die zwei mal wöchentlich jeweils samstags und mittwochs erschienen. Sie sind im Stadtarchiv weitgehend lückenlos von 1868 bis heute vorhanden. Das Wochenblatt war zugleich Anzeigenblatt und Amtsblatt der Stadtverwaltung, es informierte die Leserschaft über die wichtigsten Ereignisse in Weil der Stadt  und Umgebung, in Deutschland und auf der ganzen Welt. Das Wochenblatt wurde im Verlauf seiner 147-jährigen Geschichte von mehreren Verlegern herausgegeben, die Ausgabe 1915 erschien im Verlag von Julius Raeth, der neben dem Wochenblatt auch Postkarten von Weil der Stadt druckte und sich um private Aufträge bemühte. Neben der Druckerei betrieb Raeth eine Buch- und Papierhandlung und verkaufte Musikinstrumente und Zubehör.

Die Berichte auf der Titelseite thematisieren das Kriegsgeschehen auf der Grundlage von Agenturmeldungen und den täglichen Wehrmachtsberichten. Sie verharmlosen die eigenen Verluste und stellen die Siege über den Feind groß heraus. Das Beschönigen der eigenen militärischen Lage gehört wie selbstverständlich dazu.
Im Winter 1915 ist der Mangel an Nahrungsmitteln längst Realität. Fleisch, Fett, Butter, Eier sind rationiert. Beim Backen der Weihnachtsbrötle müssen die Hausfrauen improvisieren, denn Zucker darf nur sparsam verwendet werden.
Julius Raeth verkauft in seinem Laden neuerdings auch Galanteriewaren. Darunter versteht man Dinge, die man eigentlich nicht braucht, modische Accesoires oder kleine modische Gebrauchsgegenstände. Bei Raeth kann man in diesem Winter für 12 Mark einen Marmor-Gedenkstein kaufen, womit den Angehörigen von gefallenen die Möglichkeit gegeben ist, eine eigene, private Gedenkstätte einzurichten. Der Gefalenen-Gedenkstein ist eine Replik eines „vornehmen Grabdenkmals“ in den Maßen 14 x 27 cm mit den Bildnissen des deutschen und des österreichischen Kaisers, in das man ein Bild des Angehörigen einsetzen kann, umrahmt von einem Lorbeerkranz und der Inschrift „Er starb den Heldentod fürs Vaterland 1914/15“.
Die Firma Heinrich Franck GmbH wirbt für ihren Ersatzkaffee aus Zichorien oder Korn. Die Werbung macht sich die nationalistische Grundstimmung im Land zu Nutze und knüpft an den Chauvinismus im Land an, in dem ausländische Waren verteufelt werden. Mit dem Gebrauch von Feinseifen aus Frankreich werde viel zu viel „Französischer Kult“ getrieben, stattdessen wird die „echte Steckenpferd-Seife“ aus rein deutscher Herkunft empfohlen. Mit diesem Kunstgriff erscheint der Mangel nicht länger als solcher, sondern wird zu einer bewussten Aktion aus nationalem Verantwortungsgefühl heraus umgedeutet.

(Bestand: Archivbibliothek Z 40)